Freitag, 31. Juli 2015

Hawkins, Paula: Girl on the Train


Jeden Morgen pendelt Rachel mit dem Zug in die Stadt, und jeden Morgen hält der Zug an der gleichen Stelle auf der Strecke an. Rachel blickt in die Gärten der umliegenden Häuser, beobachtet ihre Bewohner. Oft sieht sie ein junges Paar: Jess und Jason nennt Rachel die beiden. Sie führen – wie es scheint – ein perfektes Leben. Ein Leben, wie Rachel es sich wünscht.
Eines Tages beobachtet sie etwas Schockierendes. Kurz darauf liest sie in der Zeitung vom Verschwinden einer Frau – daneben ein Foto von »Jess«. Rachel meldet ihre Beobachtung der Polizei und verstrickt sich damit unentrinnbar in die folgenden Ereignisse ...













  • Broschiert: 448 Seiten
  • Verlag: Blanvalet Verlag (15. Juni 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Christoph Göhler
  • ISBN-10: 3764505222
  • ISBN-13: 978-3764505226
  • Originaltitel: The Girl on the Train
















DIE SPANNUNG LAUERT IM UNTERGRUND...




Rachel ist eine von Hunderten von Pendlern, die jeden Morgen mit dem Zug in die Stadt fahren. Auf dem Weg bleibt viel Zeit, um seinen Gedanken nachzuhängen, und an der Stelle, an der der Zug jeden Tag hält, schaut Rachel stets auf dieselben Häuser, dieselben Gärten, dieselben Menschen. Ein junges Paar entfacht ihr Interesse auf besondere Weise.


Jess hat die Füße auf den Terrassentisch gelegt und ein Glas Wein in der Hand, während Jason hinter ihr steht und die Hände auf ihre Schultern legt. Ich meine fast zu spüren, wie sich seine Hände anfühlen, wie das Gewicht schützend und zuversichtlich auf ihrer Haut ruht. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich mich zu erinnern versuche, wann mich zuletzt ein anderer Mensch berührt hat - und sei es nur bei einer Umarmung oder bei einem von Herzen kommenden Händedruck. Und dann - krampft sich mein Herz zusammen. 


Rachel weiß nicht wirklich, wie die beiden heißen oder leben - sie fantasiert sich ihre eigene Geschichte um das Paar zusammen, beobachtet und interpretiert und bekommt gar nicht genug von ihnen. Das perfekte Leben, so scheint es, führen die beiden miteinander, etwas, von dem Rachel nur träumen kann.


Die beiden sind wirklich füreinander geschaffen. Sie sind ein gutes Gespann. Sie sind glücklich, das sehe ich ihnen an. Sie sind das, was ich früher war. Sie sind Tom und ich vor fünf Jahren. Sie sind, was ich verloren habe. Alles, was ich gerne wäre.


Rachel hat alles verloren, was jemals von Bedeutung war. Ihre Ehe, ihren Job, die Hoffnung auf ein Kind - und ihre Selbstachtung. Immer häufiger spricht sie dem Alkohol zu, Blackouts bestimmen ihr Leben, Einsamkeit dominiert ihre Gefühlswelt. In das triste Dasein bringen ihre Träumereien um das Leben der anderen ein paar willkommene Farbkleckse. Doch die scheinbare Idylle zerreisst.

Rachel beobachtet eines Tages etwas Schockierendes, das ihre Traumwelt ins Wanken bringt. Und als sie in der Zeitung vom Verschwinden einer Frau liest und auf dem Foto ihre 'Jess' wiedererkennt, kann Rachel ihr Wissen nicht länger für sich behalten. Doch wird man einer Alkoholikerin bei der Polizei Glauben schenken? Und welche Erinnerungen sind nach ihren Alkoholexzessen überhaupt noch greifbar? Rachel ist plötzlich mehr in die Geschehnisse involviert als ihr lieb sein kann...

Erzählt wird die Geschichte in Form von Tagebucheintragungen aus der Ich-Perspektive von drei verschiedenen Frauen. Dies fand ich anfangs eher verwirrend, insgesamt jedoch macht dies eine Besonderheit des Buches aus. Neben der verkrachten Existenz Rachel tauchen hier noch Anna auf, die 'neue' Frau von Rachels Exmann, sowie die verschwundene 'Jess'. Neben den Schilderungen der chronologischen Ereignisse gibt es immer wieder auch Rückblenden, die dem Leser einen Einblick in Leben und Psyche der drei Frauen gewähren. Dabei war mir keine der drei Frauen wirklich sympathisch, weil die Darstellung der Charaktere eher distanziert wirkte.

Durch die Längen, die das Buch phasenweise durchzogen und die eingehende Beschäftigung mit den drei genannten Frauen, wirkte die Geschichte teilweise eher wie ein Psychodrama denn wie ein Thriller. Dennoch ist es Paula Hawkins gelungen, mich am Ende wenn auch nicht komplett, so doch ein Stück weit zu überraschen. Eine Geschichte um verdrängte Wahrheiten, die sich letztlich doch offenbaren.

Ein interessanter Ansatz mit einigen Längen und Schwächen, die Spannung lauert meist nur subtil im Untergrund. So ganz kann ich den Hype um das Buch ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Dennoch ist es gut und flüssig zu lesen und letztlich noch eine halbwegs überzeugende Vorstellung...


© Parden
















Paula Hawkins Paula Hawkins wurde in Simbabwe geboren und wuchs in einem Vorort von Harare auf. 1989 ging Paula nach London, um ihre Schulausbildung zu beenden. Sie studierte an der Oxford University Politikwissenschaften und Philosophie und arbeitete nach ihrem Abschluss als Wirtschaftsjournalistin für die Times. Nach fünfzehn Jahren Arbeit als Journalistin, widmete sich Paula Hawkins dem Schreiben. Ihre Lieblingsautoren sind unter anderem Donna Tartt, Tana French und Gillian Flynn. Ihr erster Roman "Girl on the Train" erschien 2015 in Deutschland. Das englische Orginal feierte große Erfolge und belegte Platz eins der NY-Times Bestseller-Liste. Die Filmrechte an dem Thriller sind bereits gesichert. Heute lebt und arbeitet Paula Hawkins in London.

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Donnerstag, 30. Juli 2015

Schneider, Harald: Ernteopfer


Erntezeit im vorderpfälzischen Obst- und Gemüseanbau. Hauptkommissar Reiner Palzkis Träume von einem erholsamen Wochenende mit seinen Kindern zerplatzen jäh, als ein polnischer Erntehelfer mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden wird. Die Spur führt in den Gemüsegroßmarkt "S. R. Siegfried" in Limburgerhof. Während Palzki den undurchsichtigen Inhaber in die Mangel nimmt, wird ein zweiter Toter im Wildschweingehege des Rheingönheimer Tierparks entdeckt. Langsam dämmert dem Kommissar, dass er einem Verbrechen auf der Spur ist, gegen das die dubiosen Machenschaften der Gemüsebranche Kavaliersdelikte sind.


Band 1 der Reihe um Hauptkommissar Reiner Palzki







  • Broschiert: 272 Seiten
  • Verlag: Gmeiner, A; Auflage: 4. (1. Februar 2008)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3899777484
  • ISBN-13: 978-3899777482
























MEHR GLÜCK ALS VERSTAND...





Erntezeit im vorderpfälzischen Obst- und Gemüseanbau. Hauptkommissar Reiner Palzkis Träume von einem erholsamen Wochenende mit seinen Kindern zerplatzen jäh, als ein polnischer Erntehelfer mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden wird. Die Spur führt in den Gemüsegroßmarkt "S. R. Siegfried" in Limburgerhof. Während Palzki den undurchsichtigen Inhaber in die Mangel nimmt, wird ein zweiter Toter im Wildschweingehege des Rheingönheimer Tierparks entdeckt. Langsam dämmert dem Kommissar, dass er einem Verbrechen auf der Spur ist, gegen das die dubiosen Machenschaften der Gemüsebranche Kavaliersdelikte sind.

Nicht ganz ernstzunehmen sind hier wohl die Ermittlungen im ersten Fall des Kriminalhauptkommissars Reiner Palzki. Ein ernstes Thema und reichlich Gesellschaftskritik als Hintergrund, wird der Krimi doch in erster Linie humorvoll verpackt. Dabei gerät für meinen Geschmack jedoch einiges zu flapsig bzw. zu krampfhaft originell: Posteingangssammelbehälter (für 'Briefkasten') und Oxid des Wasserstoffs (für 'Wasser') lassen ein Gefühl von 'er hat sich stets bemüht' aufkommen - und was das verklausuliert in Zeugnissen bedeutet, ist ja hinlänglich bekannt...

Der Kommissar selbst ist sympathisch gezeichnet, wenn auch chaotisch. Der 45-Jährige lebt von Frau und Kindern getrennt und ist haushaltstechnisch eine wandelnde Katastrophe. Er ernährt sich in erster Linie von Fastfood und schafft es, selbst die Pizza in der Mikrowelle explodieren zu lassen.
Bezüglich der Ermittlungen hat er einen guten Riecher, doch seine zahlreichen und hinlänglich bekannten Alleingänge sind kaum vorstellbar und doch reichlich überzogen - keinesfalls eine authentische Beschreibung der Polizeiarbeit. Und so löst Reiner Palzki den Fall schließlich mit mehr Glück als Verstand.

Harald Schneider hat einen Regionalkrimi mit einigen Passagen heftigsten pfälzischen Dialekts geschrieben und dabei für meinen Geschmack manchmal ein wenig mit der genauen Orts- und Wegbeschreibung übertrieben - für Ortskundige mag das anders wirken.
Immerhin wird eine interessante Geschichte erzählt, und es gibt einige launige Passagen zum Schmunzeln. Ein Krimi, der zu unterhalten weiß, aber keineswegs für Euphorie sorgt...


© Parden













Harald Schneider
Harald Schneider, 1962 in Speyer geboren, wohnt in Schifferstadt und arbeitet in einem Medienkonzern als Betriebswirt. Seine Schriftstellerkarriere begann während des Studiums mit Kurzkrimis für die Regenbogenpresse. Der Vater von vier Kindern veröffentlichte mehrere Kinderbuchserien. Seit 2008 hat er in der Metropolregion Rhein-Neckar-Pfalz den skurrilen Kommissar Reiner Palzki etabliert, der neben seinem mittlerweile zwölften Fall »Sagenreich« in zahlreichen Ratekrimis in der Tageszeitung Rheinpfalz und verschiedenen Kundenmagazinen ermittelt. 2013 wurde mit den Kindern von Reiner Palzki mit »Die Palzki-Kids in großer Gefahr« eine eigene interaktive Kinderbuchreihe etabliert.

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Mittwoch, 29. Juli 2015

Adiga, Aravind: Letzter Mann im Turm (Hörbuch)


Immobilien-Tycoon Shah ist in Not. Der Kampf um die Filetstücke in Mumbais Boom-Bezirken wird immer härter und er ist auf der Verliererstraße. Retten könnte ihn nur der Bau einer gigantischen Luxus-Appartmentanlage – doch dazu müssten die baufälligen Wohntürme der »Vishram Society« weichen. Shah macht den Bewohnern ein Angebot, das sie nicht ablehnen können. Alle sind glücklich, denn gerne würden sie ihr tristes Leben hinter sich lassen. Doch der Deal gilt nur, wenn alle Bewohner den Vertrag unterschreiben. Als der alte Masterji sich standhaft weigert, sein Heim zu verlassen, zieht er den tödlichen Hass aller Hausbewohner auf sich.




  • Audio CD
  • Verlag: Der Audio Verlag (16. September 2011)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Susann Urban und Ilija Trojanow
  • Erzähler: Sebastian Kowski
  • ISBN-10: 3862311325
  • ISBN-13: 978-3862311323

















 PRINZIPIEN...



Die beiden sechs Stockwerke hohen Wohntürme der 'Vishram Society' in einem Vorort Bombays galten in ihrem Eröffnungsjahr 1959 als modern, doch seither ist nie Geld in die Instandhaltung gesetzt worden, so dass jetzt alles marode wirkt. Die Wasserversorgung funktioniert nur zweimal am Tag für einige Stunden, die Gebäude liegen in einer Flughafenschneise und an den Wänden hängt der Schimmel.


"Das Äußere dieses Turms, einst rosafarben, ist nun ein regenwasserfleckiges Grau."
Doch was klingt, wie hierzulande ein maroder Sozialbau, beheimatet dort Menschen der Mittelschicht: Lehrer, Internetcafébetreiber, Journalisten oder Apotheker. Die Schlechtergestellten wohnen in den oft illegalen Slums rundherum. Und die Bewohner der Türme klagen nicht, sie sind es nicht anders gewohnt - und die Gemeinschaft im Turm A ist ganz ausgezeichnet. Jeder kennt jeden und ist allen gegenüber höflich und anständig.


"Jede gute Wohngemeinschaft lebt von einem Kreislauf der Gefälligkeiten."



Was jedoch seit Jahrzehnten gut funktioniert, gerät plötzlich ins Wanken, als ein Immobilientycoon den Bewohnern der Genossenschaftswohnungen ein scheinbar unschlagbares Angebot macht. Eine großzügige Abfindung winkt denen, die ihre Wohnung aufgeben und sich anderswo ein neues Heim suchen. Turm B nimmt das Angebot geschlossen an, doch in Turm A regt sich Widerstand.

Zu groß ist das Misstrauen gegenüber solchen Maklern, und weshalb sollte man seine Heimat aufgeben? Zählt das nichts? Viele sehen hier eine Möglichkeit, ihrem tristen Leben zu entkommen, doch manche stellen sich den kapitalistischen Avancen entgegen. Darauf reagieren die anderen Mieter beschämt und achselzuckend, doch als bekannt wird, dass das Angebot nur aufrechterhalten bleibt, wenn alle Bewohner den Vertrag unterschreiben, kippt die Stimmung.

Der Druck auf diejenigen, die das Angebot nicht annehmen wollen, erhöht sich zunehmend - von Seiten des Immobilienmaklers ebenso wie von Seiten der anderen Mieter. Und plötzlich herrscht in der einst so gut funktionierenden Gemeinschaft ein Klima zunehmenden Misstrauens und der Bösartigkeit. Das Krebsgeschwür der Gier frisst sich in die Seelen der ach so ehrenwerten Mieter, die Hetzjagd ist eröffnet... Und nach und nach springen die Widerständler ab - alle, bis auf einen: Yogesh Murthy, genannt Masterji, ein pensionierter Lehrer, der in der Vishram Society als 'Gentleman' bislang große Achtung genießt.


"Nichts kann ein Lebewesen aufhalten, das frei sein möchte."


Leise und schleichend aber sehr eindringlich beschreibt Aravind Adiga die Geschehnisse in diesem Wohnturm. Zunehmend beklemmend wird die Situation, ungläubig lauschte ich manchen Ereignissen, die Faust in der Tasche. Doch ist das alles wirklich unvorstellbar? Der Sprecher Sebastian Kowski liest nüchtern und sachlich, was die zunehmende Dramatik aber eher noch unterstreicht und den Druck der Situation spürbar werden lässt.

Dabei hat Autor leider die Charaktere oftmals eher eindimensional und schablonenhaft gezeichnet, was kaum einmal Raum für Überraschungen bietet. Die interessanteste Figur war neben dem uneinsichtigen Masterji noch der Immobilienmakler Dharmen Shah, der sich aus kleinsten Verhältnissen zum mächtigen Bauunternehmer in Bombay emporgearbeitet hat. Adiga modelliert ihn als fetten Immobilienhai und so brutalen wie charmanten Gemütsmenschen, von dem der Hörer glauben soll, dass er 'Menschen noch viel lieber' mag als Stahl und Zement und dass er deshalb mit dem ihm eigenen 'Gefühl für Fairness' so lange wie möglich 'Großzügigkeit der Gewalt' vorzieht.
Es gibt viele Gründe für den Widerstand des alten Lehrers: die mit dem Haus verbundenen Erinnerungen an die verstorbene Frau und Tochter, der Wunsch des kleinen Mannes, dem mächtigen Immobilienhai Kontra zu geben, Altersstarrsinn und die mangelnde Bereitschaft, sich in Veränderungen zu fügen, der Sinn für menschlichen Anstand u.a.m. Im Grunde ist er die Hauptfigur in einer Parabel - wenn auch einer langen und zuweilen etwas langatmigen. Jedenfalls fällt es bei aller ungläubigen Empörung, wie Menschen Werte und Prinzipien einfach über Bord werfen und sich gegenseitig zu immer größeren Grausamkeiten anstacheln, schwer, sich mit dem alten Lehrer zu identifizieren.

Einen unverblümten und brutalen Blick wirft der Autor da auf die Realitäten des modernen Indiens, wie auch das Interview zwischen einem Journalisten und einem der Übersetzer des Buches im Anschluss an die eigentliche Erzählung zeigt. Noch vor kurzem lebten in Indien Reiche in unmittelbarer Nähe zu den Ärmsten, und niemand fand das befremdlich. Doch zunehmend entwickelt sich die räumliche wie gesellschaftliche Trennung zwischen den Gesellschaftsschichten, und die Trauer über den Paradigmenwechsel in der Seelenlage wird in diesem Hörbuch deutlich. Der zunehmende Kapitalismus wirft alte Werte über Bord, die Menschen können ihren normalen 'Kompass' des Miteinanders nicht mehr benutzen. Aravind Adiga schafft hier eine Atmosphäre des Pessimismus, die im Grunde für alle Megacities der Welt gilt, denn die Entwicklungen sind vergleichbar.

Für dieses Buch wurde Aravind Adiga von manchen seiner Landsleute als 'Nestbeschmutzer' tituliert. Doch im Grunde hält er damit allen modernen Gesellschaften einen mehr als unangenehmen Spiegel vor. Ein Autor, der genau hinschaut und den Finger in die schwärende Wunde legt. Nicht bequem, nicht angenehm, manchmal geradezu unerträglich - aber doch notwendig.

Ein eher beeindruckendes denn begeisterndes Buch, aber eines, das im Kopf bleibt...


© Parden












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Dienstag, 28. Juli 2015

Burger, Tom: Das Bücherhaus


Als Kommissar Luc Vidal den Tod der vierundachtzigjährigen Claire untersucht, ahnt er nicht, dass dies eine Welle von Gewalttaten auslösen wird. Dabei rücken eine Gruppe von Claires Jugendfreunden und ein Buch mit Briefen von Francesco Petrarca in den Mittelpunkt. Der Dichter hatte im 14. Jahrhundert dort am Fuß des Mont Ventoux gelebt, wo sich die Ereignisse für Luc Vidal und die zweiundzwanzigjährige Amandine Moreau überschlagen. Die junge Frau wird das Bücherhaus erben – und daraus ist nicht nur das Buch mit Petrarcas Briefen verschwunden. Amandines Ausstrahlung und die erotische Wirkung einer Bronzeskulptur führen den Kommissar bei den Ermittlungen an seine Grenze. In einem Wettlauf gegen die Zeit muss er herausfinden, welches Geheimnis Petrarcas Briefe und dessen Gedichtsammlung an Laura birgt. Denn eines ist gewiss: Irgendwo zwischen den Kalkfelsen der Dentelles de Montmirail, den Weinbergen von Gigondas und der trügerischen Idylle von L’Isle-sur-la-Sorgue wartet auf das nächste Opfer der Tod.




  • Taschenbuch: 266 Seiten
  • Verlag: cleevesmedia; Auflage: 1 (4. Mai 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3945182123
  • ISBN-13: 978-3945182123












 DER PETRARCA-CLUB

 


Wer liebt sie nicht, die Provence, zauberhafte Landschaft am Mittelmeer, schön gelegen zwischen dem Rhônetal und Italien? Wer hat sie nicht vor Augen, die endlosen Lavendelfelder, leuchtend blühend im Sonnenschein?
Nun, hier bekommt der Landstrich doch eine recht düstere Note, viel rauer und irgendwie unheimlich. Dabei beginnt der zweite Krimi um Luc Vidal eigentlich recht unscheinbar - eine alte Frau wird in ihrem Bett tot aufgefunden, und ihre Enkelin vermutet nur, dass es sich hier um einen Mordfall handeln könnte. Natürlich muss die Polizei dem Verdacht nachgehen...


Der Kommissar ließ sich die Bibliothek zeigen. Es war ein Raum voller Magie, mit uralten Bücherregalen aus poliertem Holz, die über zwei Ebenen die hohen Wände bedeckten und deren obere Ebene von einer umlaufenden Galerie erschlossen war. Eine schmale Treppe aus dem gleichen, rötlich glänzenden Holz führte hinauf. Das weite Geviert war mit großen quadratischen Fliesen aus grob behauenem Stein bedeckt und die Luft war erfüllt von dem Duft alter Bücher. Abertausende davon standen in schier endlosen Regalreihen.


Es ist schon ein besonderes Haus, in dem die verstorbene Claire de Roquesteron lebte. Das Bücherhaus, Mille Livre, wird es genannt, weil es eine unglaubliche Sammlung antiquarischer und wertvoller Bücher beherbergt.  Und ausgerechnet eines der wertvollsten Bücher fehlt nun, ein uraltes Werk des in der Provence beheimateten Dichters Petrarca (1304-1374).
Als bald darauf ein zweiter Mord geschieht, bei dem das verschwundene Buch ebenfalls eine Rolle spielt, wird Luc Vidal klar, dass sie erst am Anfang einer umfassenden Ermittlung stehen.

Tom Burger entführt den Leser in die Tiefen der Provence, mitten hinein in das dörfliche Leben, wo jeder jeden kennt und auch Geheimnisse nicht immer sicher sind. Mit jedem Tag wird der Fall jedoch undurchsichtiger, und die Flut der Menschen, die hier eine Rolle spielen, will gar kein Ende nehmen.
Die verstorbene Claire hatte gemeinsam mit einigen Freunden in ihrer Jugend in Verrehrung des antiken Dichters einen Petrarca-Club gegründet, und im Grunde hätte jeder der inzwischen hochbetagten Mitglieder ein Motiv gehabt, die alte Dame zu ermorden. Oder war es vielleicht doch die Enkelin Amandine, die schließlich nun die Alleinerbin der antiken Schätze ist? Und was hat es mit diesem mysteriösen Mönch auf sich, der immer wieder auftaucht und eine undurchsichtige Rolle spielt?

Mir persönlich waren es ehrlich gesagt einige Personen zu viel. Zugegeben, diese Vielzahl sorgte für Verwirrung - viele der Personen scheinen hier aber ausschließlich zu diesem Zweck eine Rolle zugewiesen bekommen zu haben. Diese Vielzahl sorgte in meinen Augen jedoch auch dafür, dass sich die Handlung an manchen Stellen sehr in die Länge zog - da war das Tempo selbst für mich dann zu gemächlich.
Der Kommissar Luc Vidal gewann für mich im Laufe der Handlung zunehmend an Konturen - und meine Sympathie dazu. Auch sein privates Umfeld war sympathisch und lebhaft gezeichnet, was mir gut gefallen hat. Der Rest der Charaktere allerdings blieb eher blass und war mir durchweg unsympathisch - bestenfalls riefen sie noch eine Art Mitleid hervor. Vor allem die Mitglieder des Petrarca-Clubs entpuppten sich zunehmend als altersstarrsinnige und egoistische Zeitgenossen, für die das Wort 'Skrupel' wohl eher ein Fremdwort ist.

Gut gefallen haben mir in diesem Krimi vor allem die oftmals poetischen Beschreibungen. Seien es besondere Gebäude, Landschaften oder auch kulinarische Genüsse - hierbei entstanden in meinem Kopf farbige Bilder, die mich begeistern konnten. Ansonsten erschien mir die Provence durch das mystisch-mysteriöse Geschehen diesmal doch recht düster.
Die Idee, das Leben und Werk des antiken Dichters Petrarca mit dem Geschehen im Hier und Jetzt zu verknüpfen, hat etwas reizvolles. Manche der Verknüpfungen waren vielleicht etwas weit hergeholt, aber in der Summe war das Konzept doch überzeugend. Auch das Verhältnis zwischen dem Fall ansich und dem Einblick in das Privatleben des Kommissars war für mich stimmig. Allerdings hätte ich mir doch einen noch intensiveren Einblick in die eigentliche Ermittlungsarbeit gewünscht.

Ein recht interessanter Fall mit einem außergewöhnlichen Hintergrund in einer schöner Kulisse - angenehm zu lesen, am besten mit einem Glas gekühlten Weißweins auf der sommerlichen Terrasse...


© Parden









Tom Burger Tom Burger arbeitete mehrere Jahre lang u. a. als Schiffsreiniger im Hamburger Hafen, auf israelischen Bananenplantagen sowie als Fahrer bei Autoüberführungen nach Syrien, bevor er als freier Journalist und als Texter für Werbeagenturen zu schreiben begann. Der Autor lebt in einem Dorf am Eifelrand.
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Samstag, 25. Juli 2015

Jerome, Jerome K.: Drei Mann in einem Boot


"Drei Männer im Boot (ganz zu schweigen vom Hund)" (Originaltitel: "Three Men in a Boat"), erschienen 1889, ist eine humorvolle Erzählung von Jerome K. Jerome über einen Bootsausflug auf der Themse zwischen Kingston und Oxford.
Das Buch war ursprünglich als ernsthafter Reiseführer, mit Erzählungen über die Geschichte von Plätzen entlang der Strecke, geplant, doch die humoristischen Schilderungen gewannen letztlich die Oberhand.

Mit 55 Illustrationen von A. Frederics










 
  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 2141 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 256 Seiten
  • Verlag: Null Papier Verlag; Auflage: 1 (28. Februar 2012)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B007F217OE










 

EINE BOOTSFAHRT, DIE IST LUSTIG - ODER?


 



'Drei Männer im Boot (ganz zu schweigen vom Hund)' , erstmals erschienen 1889, ist eine humorvolle Erzählung von Jerome K. Jerome über einen Bootsausflug auf der Themse zwischen Kingston und Oxford. Das Buch war ursprünglich als ernsthafter Reiseführer, mit Erzählungen über die Geschichte von Plätzen entlang der Strecke, geplant, doch die humoristischen Schilderungen gewannen letztlich die Oberhand.

Naja, dass dieses Buch ursprünglich als Reiseführer geplant war, hat mich dann doch etwas überrascht. Zwar werden im Verlauf der Erzählung durchaus einzelne Orte entlang der Themse erwähnt, doch wird ihnen da m.E. keine große Bedeutung zugemessen. Dafür ist die Geschichte der drei Männer, die da beschlossen haben, sich einige Tage bei einer Bootsfahrt zu entspannen, trotz des Alters des Buches durchaus amüsant.


"Ich mag Arbeit sehr: sie fasziniert mich. Ich kann stundenlang dabeisitzen und zuschauen."


'Wir werden diese Geschichte bis zum bitteren Ende durchstehen, komme, was wolle.' So beginnt die pannenreiche Bootsfahrt von drei hypochondrischen Freunden samt ihrem neurotischen Foxterrier die Themse hinauf. Die drei Männer basieren, wie der Klappentext verrät, auf Jerome selbst und zwei seiner Freunde (George und Harris). Der Hund Montmorency dagegen ist eine reine Erfindung, hat jedoch - wie Jerome anmerkte - 'viel mit mir gemeinsam'.

Die Geschichte selbst ist vollkommen unspektakulär: drei eher langweilige und oftmals gelangweilte, recht gutsiutierte Junggesellen fahren für einige Tage mit einem gemieteten Ruderboot auf der Themse. Das Besondere der Erzählung liegt im Detail. Mit feiner Beobachtung und Selbstironie beschreibt einer der Ausflügler sein Leben und Denken und das seiner Kameraden.
Dabei hält sich jeder für intelligenter und lebenstüchtiger als die anderen beiden, wird jedoch stets wieder rasch auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Sei es der (vergebliche) Kampf mit einer Konservendose, der ruhmlose Rückzug beim Angriff der Schwäne oder auch nur der nicht vorhandene Orientierungssinn - so wirklich ist man nicht gerüstet für ein Leben in der Natur. Eigentlich hat jeder der drei rasch die Nase voll von dem (oft verregneten) Bootsausflug - doch wie soll man dies kundtun, ohne sein Gesicht zu verlieren?

Einige Szenen sind etwas langatmig beschrieben und wirken aus heutiger Sicht eher banal (Motorboote auf der Themse!), dennoch überwiegt eine flüssige, kurzweilige Erzählweise. Dabei ist der Humor nicht plump oder aufdringlich, sondern schwingt in feinen Nuancen oftmals zwischen den Zeilen mit und scheut auch vor Selbstironie nicht zurück.

Die Illustrationen von A. Frederics untermalen das Geschehen hier zusätzlich noch auf humorvolle Weise. Diese Ergänzung hat mir gut gefallen

Ein Klassiker, der seinerzeit  als Grundlage für den gleichnamigen deutschen Spielfilm von 1961 mit Hans-Joachim Kulenkampff, Heinz Erhardt und Walter Giller diente:



                                                      








Jerome K. Jerome
Auf die Idee zu seinem Buch kam Jerome, nachdem seine Flitterwochen 1888 auf der Themse stattfanden.  Sobald das Paar von seiner Hochzeitsreise zurückgekehrt war, machte sich Jerome daran, Drei Mann in einem Boot zu schreiben. In dieser Novelle ersetzte er seine Frau durch seine langjährigen Freunde George Wingrave (George) und Carl Hentschel (Harris). Dies erlaubte es ihm, die humorvollen Situationen ganz unsentimental zu schildern. Den Lauf der Themse nutzte er als Handlungsstrang, an dem er die einzelnen Episoden und Anekdoten aufreihte. Das Buch wurde 1889 veröffentlicht und war ein augenblicklicher Erfolg. Es war so populär, dass sich die Zahl der registrierten Themse-Boote im Jahr nach der Veröffentlichung verdoppelte und die Themse eine Touristenattraktion wurde. Allein in den ersten zwanzig Jahren wurde es über eine Million Mal weltweit verkauft und wird bis heute gedruckt.


Ein unterhaltsames Buch auch über die Jahrhunderte hinweg... Wirklich nett für zwischendurch.


© Parden

Montag, 20. Juli 2015

Mann, Klaus: Mephisto...

... Roman einer Karriere

Lübeck im Juni 2015: Endlich einmal habe ich die Gelegenheit, in der Hansestadt in warmer Jahreszeit zu verweilen. Davon wird bestimmt noch einmal die Rede sein, hier aber geht es um ein Mitglied der Familie Mann. Es geht um Klaus Mann, Sohn des Thomas Mann, dem Nobelpreisträger von 1929, der diesen Preis für seinen Roman BUDDENBROOKS erhielt. Das BUDDENBOOKS-Haus steht in der Menge-Straße in Lübeck, es gehörte einmal dem Großvater von Klaus. 



Kann ein Bücherblogger in ein Literaturhaus (das Wort Museum widerstrebt mir etwas, auch wenn im Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum durchaus von Museum die Rede ist) gehen und ohne Bücher wieder hinausgehen? Kann er nicht. Was mich betrifft, so ging ich mit Roman und Film BUDDENBROOKS hinaus, darüber hat Rudolf Fröhlich alias TinSoldier aber schon ausführlich hier geschrieben. Da ich aber außerdem Klaus Manns MEPHISTO – Roman einer Karriere mitnahm, ist die Gelegenheit gekommen, die Buchgesichter-Rezension vom 10.08.2010 einmal etwas aufzufrischen. 

Sonntag, 19. Juli 2015

Morland, Isabel: An den Rändern der Nacht


Eine junge Frau leidet an Gedächtnisverlust, spontan und aus der Not geboren nennt sie sich „Audrey Lafayette“. Verloren und von Angst getrieben, irrt sie durch Paris, ehe sie dank eines Zufalls eine Stelle als Hausmädchen in einer Botschaft ergattert. Für Audrey ist dies die Chance auf einen Neuanfang. Schon bald zieht sie die Aufmerksamkeit von gleich zwei jungen Männern auf sich, doch die behütete Atmophäre in ihrem neuen Zuhause trügt. Audrey ahnt nicht im Geringsten, dass jeder in dieser Botschaft ein falsches Spiel treibt, und nichts so ist, wie es scheint. Denn durch ihre Ankunft gerät eine sorgsam vorbereitete Intrige ins Wanken. Ihre Verletzlichkeit, ihre Attraktivität bringen sowohl Luc, der für den französischen Geheimdienst arbeitet, ebenso wie Philippe, der als Mitglied der korsischen Mafia auf den Botschafter angesetzt ist, dazu, ihre Aufträge zu vernachlässigen. Zunächst kann sie sich nicht zwischen den beiden Männern entscheiden, doch als sie mit Luc eine leidenschaftliche Liebesnacht verbringt, eskaliert das fragile Gefüge in der Botschaft. Audrey befindet sich unversehens in einem mörderischen Intrigenspiel, in dem sie nicht einmal sich selbst vertrauen kann. Denn immer noch weiß sie nicht, warum sie ihr Gedächtnis verloren hat. Doch eine dunkle Ahnung keimt in ihr … 



  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1404 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 282 Seiten
  • Verlag: Edel:eBooks (30. April 2015)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00W1ULUA6









  
 





Hiermit danke ich 'Blogg dein Buch' sowie dem Verlag EDEL : eBOOKS für die Möglichkeit, dieses Buch lesen zu dürfen
Edel:eBooks









VERGESSEN...




Stell dir vor, du fährst in einem Zug, du weißt er bringt dich von Frankfurt nach Paris, du weißt, du bist eine Frau. Aber sonst weißt du nichts. Gar nichts. Nicht, wer du bist, nicht warum du in diesem Zug sitzt, nicht, was geschah.


"Es war wie sterben, dachte sie, nur rückwärts. Sie atmete, schmeckte den Schweiß auf ihren Lippen, spürte die Zugluft auf ihrer Haut. Sie konnte denken, konnte ihre Verzweiflung und ihre Panik spüren. Konnte sehr wohl begreifen, in welch schlimmer Situation sie steckte. Aber erinnern konnte sie sich nicht."


Verwirrt und verängstigt irrt die Frau nach ihrer Ankunft durch Paris, traut sich nicht, ihre Handtasche zu öffnen mit den Initialen A. L., zu groß die Angst vor den Erinnerungen, die dann vielleicht zurückkommen könnten.


"Ihre Finger glitten über die Tasche. A. L. ... Wer verbarg sich hinter diesen Buchstaben? Ein netter Mensch mit einem schüchternen, zurückhaltenden Wesen? Eine egomanische Karrierefrau, die von einem Termin zum nächsten heizte? Eine treu sorgende Gattin, liebevolle Mutter und Schwester? Eine nymphomanische Schlampe, eine Psychopathin, eine Verbrecherin? All das konnte sie sein. All das und nichts zugleich."


Und kurz bevor sie dazu doch den Mut aufbringen kann - wird ihr die Handtasche gestohlen. Die einzige Chance, herauszufinden wer sie ist - weg.
Doch kurz bevor die Verzweiflung sie vollends überrollt, lernt sie zufällig eine ziemlich kleine, ziemlich temperamentvolle Frau mit schwarzem Hut und knallrotem Lippenstift kennen. Die Ehefrau des venezuelanischen Botschafters, Mercedes Rodriguez, sucht zufällig sehr dringend ein Hausmädchen, und als sich herausstellt, dass die namenlose Deutsche neben Französisch auch fließend Spanisch spricht, ist sie auch schon angestellt.


" 'Sagen Sie, meine Liebe, wie heißen Sie eigentlich?' - Wie heißen Sie... Die Wände um sie herum begannen sich zu drehen. Verzweifelt versuchte sie, ihren Blick auf einen festen Punkt im Raum zu konzentrieren. - 'Liebchen, Sie müssen doch einen Namen haben. Wie heißen Sie denn?' "


Einer spontanen Eingebung folgend, nennt sich die junge Frau ihren Initialen gemäß nun Audrey Lafayette. Sie kann gleich ihren Dienst im Haushalt des venezualischen Botschafters antreten und so erst einmal zur Ruhe kommen. Vielleicht stellen sich die Erinnerungen dann ja allmählich wieder ein?
Doch zur Ruhe kommt Audrey nicht wirklich. Neben ihr arbeitet noch Philippe in Diensten des Botschafters - angestellt als Hausdiener und Chauffeur, doch der Botschafter hat noch ganz andere Aufträge an den Mann, der in Wirklichkeit der korsichen Mafia angehört. Und in dem Haus wohnt auch noch Luc, ein smarter, gutaussehender Mann, der ein auffallendes Interesse an Audrey zeigt - doch auch dies mit einem Hintergedanken: er spürt, dass Audrey ein Geheimnis verbirgt, und er arbeitet in Wirklichkeit undercover für den französischen Geheimdienst, der den venezualischen Botschafter beschattet.

Ein verwirrendes Knäuel aus Geheimnissen und aufkeimenden Gefühlen - in dieser Mischung versucht Audrey herauszufinden, wer sie ist und was geschah. Luc und Philippe sind beide wider Willen hingerissen von der geheimnisvollen Deutschen und müssen achtgeben, ihren eigentlichen Auftrag dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Doch die Luft beginnt zu knistern, und da fällt es zunehmend schwer, bei der Sache zu bleiben...


"Abertausend Jahre Zeit - Fassen nicht - Die kleine Sekunde Ewigkeit - Da ich dich küsste (Jacques Prévert)"



Jedem der 21 Kapitel ist ein Zitat vorangestellt, was mir persönlich sehr gefallen hat. Der Schreibstil ist angenehm flüssig zu lesen, und durch die verzweifelte Situation Audreys konnte mich die Geschichte von Anfang an fesseln. Isabel Morland ist es gelungen, mehrere spannende Erzählstränge nebeneinanderher zu entwickeln und sie zunehmend miteinander zu einem komplexen Ganzen zu verflechten. Und auch wenn sich die Vergangenheit Audreys häppchenweise entpuppt, bleibt es in der Gegenwart spannend genug. Das Knistern zwischen den Charakteren ebenso wie das Geschehen um Mafia und Geheimdienst, in das Audrey zunehmend hineingezogen wird. Und spannend auch die Frage nach der Zukunft - kann es angesichts der Ereignisse eine Perspektive geben für Audrey?

Ein wenig klischeehafte aber gut ausgearbeitete Charaktere bietet Isabel Morland hier in ihrem Debüt. Und auch wenn es sich hier um einen Romantik-Thriller handelt, nehmen die erotischen Szenen nicht überhand, was mir sehr entgegen kam. Die Autorin hat hier in meinen Augen ein gutes Gleichgewicht gefunden.

Schön fand ich auch manche Szenen, die geradezu poetisch anmuteten:


"... ließ die Hand mit der Tasse sinken und lauschte. Chopins Nocturne Opus 9, Nr. 2... Schwermütig, sehnsüchtig, sich selbst verzehrend, schwebten die Töne durch die Luft, perlten wie Champagner in die leeren Sektflöten und füllten sie mit schmerzlicher Melancholie."



 


Wer einem Schuss Romantik in einem Thriller nicht abgeneigt ist, dem sei hier eine klare Empfehlung gegeben. Mich konnte das Debüt Isabel Morlands jedenfalls überzeugen, und gerne halte ich Ausschau nach weiteren Büchern dieser Autorin!


© Parden
























Isabel Morland wurde in Deutschland geboren. Sie stammt aus einer Familie mit ausgepägtem Hang zur Literatur. Einen Teil ihres Lebens verbrachte sie in Paris, gefolgt von mehreren Aufenthalten in Großbritannien, das sie bis in die hintersten Winkel Schottlands bereiste. Heute lebt sie mit ihrer Familie und zwei Hunden in Süddeutschland. Ihre Leidenschaft gilt dem Schreiben.
Zur Website von Isabel Morland
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Freitag, 17. Juli 2015

Wenn Kunst berührt - Augenblicke...

Ein Zufallsfund, der zeigt, dass auch Kunst berühren kann - auch und gerade den Künstler selbst...





BRIGITTE schreibt dazu:

Bei ihrer Performance "The Artist is Present" blickte die serbische Künstlerin Marina Abramović 1565 fremden Menschen in die Augen. Drei Monate lang saß sie reglos und schweigend im Atrium des New Yorker "Museum of Modern Art" an einem Tisch - ihr gegenüber ein Stuhl, auf dem Besucher Platz nahmen. Darunter Stars wie Sharon Stone, Tilda Swinton und Björk. 

So viele Stunden in die Augen fremder Menschen vertieft zu sein, ist eine extreme Erfahrung. Aber nur bei einer einzigen Person wurde Abramović von ihren Gefühlen überwältigt: Es war der Künstler Ulay, der sie mit seiner Teilnahme überraschte.






Mit Ulay hatte Abramović in den 70er Jahren eine Liebesbeziehung. Das Künstler-Paar lebte nomadisch in einem VW-Bus mit Aborigines und Tibetern und arbeitete auch zusammen.
Nicht nur ihr Leben, auch ihre Trennung inszenierten die beiden auf ganz besondere Weise: Drei Monate lang gingen sie sich auf der Chinesischen Mauer entgegen, um sich in der Mitte zu treffen und ein letztes Mal zu umarmen. 

Die Begegnung im "MoMa" war das erste Wiedersehen nach der Umarmung vor mehr als 20 Jahren. Sie zeigt: Egal, wie wir zu unseren verflossen Lieben stehen mögen - sie berühren uns für immer.


Montag, 13. Juli 2015

Schonhöft, Michaela: Kindheiten - Wie kleine Menschen in anderen Ländern groß werden

Michaela Schonhöft hat viele Länder bereist und mit Eltern rund um den Globus gesprochen. Ihr Fazit: Den Kindern und ihren Eltern geht es umso besser, je weniger Erwartungen auf ihnen lasten – Liebe und ­Gelassenheit sind immer noch die besten Voraussetzungen für glückliche Kinder.





  • Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
  • Verlag: Pattloch (2. September 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3629130372
  • ISBN-13: 978-3629130372




















 MAMA, WO WOHNT DAS GLÜCK?





Afrikanische Babys schreien viel weniger als deutsche; in japanischen Kitas fühlen sich die Kleinen viel wohler als in unseren; in Finnland leistet die Schul-Ambulanz erste Hilfe bei mangelndem Lernerfolg - es gibt noch viel mehr Beispiele gelingender Kindererziehung auf dieser Welt! Michaela Schonhöft war in Südostasien und Südamerika, in Skandinavien und Frankreich und anderswo und hat mit Eltern rund um den Globus gesprochen. Können es die anderen besser?


Mama, wo wohnt das Glück?


Diese Frage der zweieinhalbjährigen Tochter der Autorin stellt schon den Dreh- und Angelpunkt dieses Buches heraus. Denn Glück als das wesentliche Erziehungsziel - darauf können Eltern sich weltweit über alle Sprachen, Kontinente und Kulturen verständigen. Doch wie das Glück zu definieren und zu erreichen ist, darüber haben sie alle sehr unterschiedliche Ansichten.

Ein interessantes und gut recherchiertes Buch bietet Michaela Schonhöft hier, das Einblicke in die Kindheiten quer über den Globus vermittelt. Teilweise beruhen die Erkenntnisse auf eigenen Beobachtungen der Autorin durch Reisen in die verschiedensten Länder der Welt, teilweise beruft sie sich in ihren Ausfürungen aber auch auf Sekundärquellen wie Studien, Ratgeber und auch Medien.

Angefangen bei der Schwangerschaft bis hin ins Erwachsenenalter präsentiert die Autorin die landestypischen Unterschiede. In China beispielsweise schicken viele Eltern ihre Kinder gleich in zwei Kindergärten - morgens in den 'normalen', nachmittags in den englischsprachigen. In den Niederlanden sind Überstunden nahezu verpönt - die arbeitsfreie Zeit gehört der Familie und damit den Kindern. Und in Deutschland ist es wichtig, dass Kinder sich von klein auf an Regeln und Grenzen halten.
Aber auch das Heranwachsen der Jugendlichen ist erstaunlich unterschiedlich. Klar, die Kindheit endet nicht plötzlich - aber wie verschieden der Umgang mit der Pubertät sein kann, ist schon verblüffend. Dabei kristallisieren sich bei allen Unterschieden jedoch auch Gemeinsamkeiten heraus. So liegt beispielsweise dem oftmals nicht nachvollziehbaren Verhalten der Jugendlichen das dringende Bedürfnis zugrunde, sich zu bewähren. Statt von der Gesellschaft Mutproben gestellt zu bekommen (wie das Erlegen eines wilden Tieres) denken sich hierzulande die Jugendlichen eigene Bewährungsmöglichkeiten aus (wie der Diebstahl im Kaufhaus). In jedem Fall ein interessanter Gedankengang.


Kindern geht es dort am besten, wo Erziehung als gemeinschaftliche Aufgabe betrachtet wird.


Manches gerät hier in der Darstellung etwas wissenschaftlich-trocken, das meiste jedoch ist gut verständlich präsentiert und verschafft dem Leser einen wirklich guten Überblick über die kulturellen Unterschiede in der Kindererziehung. Damit ist das Buch in jedem Fall geeignet, um eigene und gesellschaftliche Werte gelegentlich doch einmal zu überdenken...

Vielleicht kommen wir so ja dem Glück ein Stück näher?


© Parden













Michaela Schonhöft

Michaela Schonhöft über die Recherche zu ihrem Buch Kindheiten

Die Autorin im Interview

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Für Ihr Buch haben Sie rund um den Globus recherchiert. Wie lange haben Sie daran gearbeitet und wie konnten Sie die Arbeit und die Reisen mit der eigenen Familie vereinbaren?
Das Buch war ein Herzensprojekt. Drei Jahre habe ich daran gearbeitet. Die Idee dazu entstand auf einer mehrmonatigen Reise durch Thailand. Meine kleinste Tochter war damals noch ein Baby, die ältere 2einhalb Jahre alt. Wir hatten eine Auszeit vom Job genommen. Und so waren die ersten, wichtigen Recherchen sehr gut mit Familiendingen zu vereinbaren. Wir sind begeisternde Reisende. Die Arbeit zu dem Buch konnte ich also prima mit unserer Leidenschaft verbinden. Ich habe zudem viele Kontakte aus dem Ausland aktiviert, die ich geknüpft hatte, bevor die Kinder auf die Welt kamen. Ich habe eine Weile in den Niederlanden, in den USA und Südamerika gelebt, bin viel in Asien und Afrika gereist.

Welche Geschichten oder Gespräche haben Sie ganz besonders berührt? Was sind die größten Herausforderungen für Kinder und Eltern, die Ihnen begegnet sind, und wie kann man helfen?
Sehr emotional, egal auf welchem Kontinent, wird das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ diskutiert. Das beschäftigt alle Eltern, natürlich vor allem die Mütter, ob in Nigeria, Südafrika, Singapur, Japan, den USA, Frankreich oder eben Deutschland. In Asien arbeiten viele Mütter auf selbständiger Basis, da ihnen der Arbeitsmarkt oft keine andere Chance lässt, Kinder zu versorgen und einen Job zu haben. Japanische Mütter erzählten mir verzweifelt, wie schwierig die Work-Life-Balance für Familien ist. Arbeitgeber legen ihnen nach der Geburt der Kinder alle möglichen Steine in den Weg. Eine Präsenzkultur in den Unternehmen, wenig flexible Arbeitszeiten und lange Pendelzeiten machen es zusätzlich schwer. In vielen Ländern, auch in Indien, ganz besonders in Nigeria, fehlen Kindergärten und Horte. Dort können sich Frauen zum Glück noch häufig auf ein enges verwandtschaftliches Netz verlassen. Oft springen Oma oder die Tante bei der Betreuung der Kinder ein. Doch das wird auch in Indien zunehmend schwieriger, weil viele Großfamilien nicht mehr an einem Ort leben. Abgesehen von den skandinavischen Ländern, Frankreich und den Niederlanden, ist weltweit die Klage über mangelnde Betreuungsmöglichkeiten groß. In Indien gibt es zwar schon sehr viele Initiativen, die zum Beispiel Wanderarbeiter-Familien auf Baustellen mit mobilen Kindergärten unterstützen. Und natürlich tut sich auch in Deutschland einiges in Sachen Krippenausbau. Doch da muss noch viel investiert und diskutiert werden. Schließlich geht es um das Glück unserer Kinder.
Helfen kann man auf vielfältige Weise. Es gibt viele tolle Organisationen, die sich um Kinder und Kinderbetreuung in Entwicklungsländern kümmern, terre des hommes zum Beispiel. Hier in Deutschland ist es sicherlich im eigenen Umfeld möglich und sehr sinnvoll Hilfe anzubieten. Viele Alleinerziehende sind sehr froh, wenn ihnen mal jemand das Kind abnimmt, wenn es auch nur zum gemeinsamen Spielnachmittag mit dem Kindergartenkumpel ist. Wer keine Verwandten in der Nähe hat, kann sich seinen eigenen Ersatzklan schaffen und sich gegenseitig bei der Kinderbetreuung unterstützen. Aber eine vernünftige und gute öffentliche Betreuung kann das natürlich nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.

Gibt es einen Punkt, bei dem sich alle Kulturen einig sind, was wichtig für ein Kind ist? Oder gibt es so etwas wie einen Trend?
Die Erziehungsziele in den Kulturen sind doch schon sehr verschieden, da die Heranwachsenden ja später sehr unterschiedliche Herausforderungen zu bewältigen haben. In einem Dorf in Kamerun sind soziale Kompetenzen überlebenswichtig. Es gibt kein staatliches Auffangnetz. Das muss der Klan, die Dorfgemeinschaft erledigen. Deshalb verscherzt man es sich besser nicht mit den Nachbarn, man könnte sie noch gebrauchen und umgekehrt. Im Milliardenvolk China ist der Konkurrenzdruck so groß, das schulische Prüfungswesen so hart, dass Eltern natürlich darauf achten müssen, dass ihre Kinder in der Schule möglichst nicht versagen. Sie wissen, dass sich die Paukerei für eine gute Zukunft sehr lohnen kann. Und das gilt für die gesamte Familie. In vielen westlichen Kulturen, in denen die Menschen sehr individualistisch leben, achten Eltern sehr auf frühe Selbständigkeit. Kinder sollen lernen, auch alleine klarzukommen. Das macht ja auch bis zu einem gewissen Grad Sinn. Wir sind in dieser Gesellschaft in der Tat oft auf uns allein gestellt. Aber dieser Trend geht vielleicht doch ein wenig zu weit. Es ist doch ein Trugschluss sich darauf zu verlassen, dass man es schon alleine schafft. Die Realität sieht anders aus. Wir brauchen Beziehungen und Netzwerke.
In einem sind sich die Kulturen weltweit einig: Sie wollen für ihre Kinder vor allem ein zufriedenes Leben, und das geben fast alle Eltern weit vor dem Bedürfnis nach materiellem Wohlstand an, natürlich nur, wenn sie nicht ums Überleben kämpfen müssen.

Was läuft in Deutschland gut, wo haben wir noch Nachholbedarf und könnten uns etwas aus anderen Ländern abschauen? Was sollten wir zum Wohl der Kinder ändern?
Deutschland gibt sehr viel Geld für Familienförderung aus. Das ist natürlich grundsätzlich zu begrüßen. Das Geld wird allerdings schlecht verteilt. Darauf weisen immer wieder neue Studien hin. Es sollte vermehrt in qualitativ wertvolle Betreuung und Förderung für lernschwache Kinder investiert werden. Es wird noch viel zu wenig auf Qualitätsstandards in Kindergärten, Krippen und Horten geachtet. Dabei gibt es einen solch großen Erfahrungsschatz aus dem Ausland. Viele Eltern in Deutschland haben zudem das Gefühl, Kinder sind in Deutschland nicht willkommen. Das ist natürlich nur eine Verallgemeinerung, beschreibt jedoch eine Tendenz. Kinder sollen sich möglichst nur an den für sie vorgesehen Orten aufhalten. Aus Sicherheitsgründen ist das natürlich oft angesagt. Aber Kinder sind inzwischen vielerorts einfach unerwünscht, ob in Restaurants oder in Saunen etc… Sie haben sich möglichst ruhig zu verhalten. In Italien dagegen stört sich kaum jemand an lärmenden Kindern, man erfreut sich an ihnen. Das gilt für viele andere Länder ebenso.
Gerade Mütter haben in Deutschland sehr hohe Ansprüche an sich. Sie wollen perfekte Mütter, perfekte Berufstätige, perfekte Ehefrauen sein. Das geht oft weiter über die Belastungsgrenzen hinaus. Hierzulande haben Frauen ganz besonders den Anspruch alles selbst zu stemmen. Sie geben ungern Verantwortung ab, das wird leider auch häufig von ihnen erwartet. Das Bedürfnis Erziehung, Fürsorge für Kinder auf mehrere Schultern zu verteilen, könnte ausgeprägter sein. Es fehlen natürlich auch deutschlandweit noch die Strukturen dafür.

Auf Ihrer Webseite schreiben Sie, dass Ihre Recherchen Sie als Mutter lässiger und weitsichtiger gemacht haben. Inwiefern denken Sie, das Reisen und eine internationale Erziehung für Kinder wichtig sind?
Kinder lernen auf Reisen, unter welch unterschiedlichen Bedingungen andere Kinder aufwachsen. Sie lernen auch zu erfahren, dass Menschen andere Traditionen, andere Werte pflegen und das diese ihre Berechtigung haben. Sie lernen auch, was es heißt, eine Sprache nicht zu verstehen und sind deshalb vielleicht ein wenig verständnisvoller, wenn sie im Kindergarten oder der Schule auf ein Kind treffen, dass sich mit dem Deutschen noch ein wenig schwertut.
Die Recherchen haben mir geholfen, wesentlich entspannter mit Erziehungsdoktrinen umzugehen. Ich kann das ein wenig mehr aus der Vogelperspektive betrachten. Es ist wichtig, sich mit möglichst vielen Eltern, möglichst auch aus anderen Kulturen über Kindheit und Erziehung auszutauschen. Es gibt ja nicht nur den eigenen Weg, man lernt nie aus.

Was würden Sie aus dem gesammelten „Weltwissen der Kindererziehung” gern übertragen in Ihr eigenes Familienleben?
Vor allem Geduld! Ich habe mit sehr vielen Eltern in Ostasien gesprochen. Mich hat beeindruckt, wie entspannt viele von ihnen mit ihren kleinen Kindern umgehen, dass sie sehr viel durchgehen lassen, zwar „dranbleiben“, aber nicht ständig mit Konsequenz oder gar Strafen drohen. Man verlangt kleinen Kindern noch kein großes Verständnis ab, versucht ihnen stattdessen ein gutes Vorbild zu sein, sie immer wieder sanft auf sozial akzeptables Benehmen hinzuweisen. Für sehr nachahmenswert halte ich, wie selbstverständlich sich niederländische Familien Zeit für ihre Kinder nehmen, auch wenn dort die Zeiten schwieriger werden. „Feierabend ist Feierabend“, sagt sich dort ein Großteil der Arbeitnehmer, und das gilt auch für die Väter. Den Familien ist sehr wohl bewusst, wie wichtig Zeit für die Familie ist. Wir versuchen inzwischen ebenfalls mindestens einmal am Tag, meistens abends, zusammen zu essen. Ich lebe ja in einer Patchwork-Familie, mein Mann, ich, zwei Teenager, zwei Kleinkinder. Da entstehen schnell Konflikte, und gemeinsame Familienzeit ist unheimlich wichtig, um diese nicht einfach unter den Tisch zu kehren oder gar eskalieren zu lassen.


 






Michaela Schonhöft, geboren 1973, studierte Sozialwissenschaften und arbeitete als Reporterin für verschiedene Fernsehsender und Zeitungen. Sie berichtete unter anderem aus Südamerika und den USA. Heute lebt sie als freie Autorin mit ihrem Mann und vier Kindern in Berlin. Quelle Text und Bild

Sonntag, 12. Juli 2015

Röder, Britta: Die Buchwanderer


Ein Blick auf die schöne Unbekannte und schon hat Ron die Verabredung mit seinem Cousin Magus vergessen und folgt ihr durch die Stadt. Doch in der Bibliothek verliert er ihre Spur – oder hat sie ihm mit Shakespeares „Romeo und Julia“ eine Botschaft zuspielen wollen? Sofort beginnt Ron mit der Lektüre und findet sich im selben Augenblick mitten in Verona wieder … Was wie eine romantische Liebesgeschichte beginnt, wird nicht nur für Ron zu einer literarischen Reise durch die Weltliteratur – von Verona in das Russland Puschkins, wo Ron plötzlich nicht mehr nur eine Randfigur ist, sondern in die Rolle Eugen Onegins schlüpfen muss – und weiter zu Cervantes „Don Quijote“. Schon bald bemerkt Ron, dass er nicht der einzige Wanderer zwischen den Bücherwelten ist. Doch der Ausweg bleibt verschlossen und die Ereignisse mysteriös. Ist die schöne Rosalia der Schlüssel zu diesem Geheimnis? Und welche Rolle spielt der heimlich in seine Nachbarin Charlotte verliebte Magus, der die eigenen Gefühle stets hinter seiner Kunst versteckt? Immer fließender werden die Grenzen zwischen Lesen und Erleben. Und immer stärker rückt die existentielle Frage in den Vordergrund, wo zwischen Realität und Fiktion jeder einzelne seine eigene Wirklichkeit (er-)findet.


  • Broschiert: 212 Seiten
  • Verlag: Acabus Verlag; Auflage: 1., Aufl. (November 2011)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3862820173
  • ISBN-13: 978-3862820177













 AUF DER SUCHE...


 

Ron ist gerade erst in die neue Stadt gezogen und befindet sich auf dem Weg zu seinem Cousin Magus, mit dem er zum Mittagessen verabredet ist. In der Straßenbahn dann verliert er dieses Vorhaben jedoch aus den Augen.


Ruckelnd beschrieb die Straßenbahn gerade eine unharmonische Kurve, als ein äußerst unsanfter Rempler ihn zurück in seine Realität stieß. Ein kantiger Rucksack hatte seine Schulter hart gestreift. Um Entschuldigung bittend drehte sich die junge Besitzerin des Rucksacks zu ihm um. Leuchtend grüne Augen trafen ihn schutzlos bis auf den tiefsten Grund seiner Seele. Smaragdaugen. - "Tut mir leid." Ihre Stimme klang hell und klar. - "Nichts passiert", antwortete er und sprach, ohne es zu wissen, die größte Lüge seines Lebens aus. (S. 10)



Was wie eine einfache Liebesgeschichte beginnt, erweist sich jedoch rasch als etwas Komplizierteres. Denn obwohl Ron versucht, der schönen Unbekannten durch die Stadt zu folgen, verliert er ihre Spur gleich darauf in der Bibliothek. An der Stelle, wo er sie zum letzten Mal sah, liegt nur noch ein aufgeschlagenes Buch: Shakespeares 'Romeo und Julia'. Da dies seine einzige Spur ist, nimmt Ron das Buch mit nach Hause und schlägt es dort auch gleich auf...


Seine Augen flogen über die bekannten Zeilen. In seinem Kopf verwandelten sie sich in den Klang fremder Stimmen, die desto deutlicher zu ihm sprachen, je tiefer er den Sinn des Gelesenen erfasste. Immer dichter wurde die Atmosphäre, die die Worte um ihn herum erschufen. Immer konkreter wuchs das Bild einer neuen Umgebung heran. Ein Luftzug streifte ihn. Hatte er in seiner Wohnung ein Fenster offengelassen? Plötzlich fühlte er sich beobachtet. Er spürte es ganz deutlich und hob überrascht den Kopf. Die Stimmen waren verklungen und er stand auf einem hell gepflasterten Platz inmitten einer fremden Stadt. (S. 15)



Auf diese Art ist Ron jedenfalls noch nie in die Bücherwelt eingetaucht. Völlig verblüfft ist er plötzlich Teil der Handlung, lernt zumindest von ferne Romeo und Julia kennen - und trifft tatsächlich auch die schöne Unbekannte wieder. Doch es bleibt nicht bei dieser einen Geschichte. Immer weiter treibt es Ron auf der Suche nach Rosalia, nach der Liebe, nach dem Leben. Ein Wanderer zwischen den Bücherwelten ist er - doch er ist nicht allein.


"Du hast dir viel Zeit gelassen, den Weg hierher zu finden", stellte sie fest. - "Es tut mir leid, wenn ich deine Geduld auf die Probe gestellt habe, aber den Weg zu finden war nicht so einfach. Ich war mir nicht sicher..." - "Und nun bist du es?" - "Sicher? Wohl kaum. Ich begreife noch immer nicht, was hier eigentlich vorgeht." - "Aber immerhin begreifst du, dass hier etwas vorgeht", stellte Rosalia zufrieden fest. (S. 104)



Realität und Fiktion verschwimmen zunehmend in diesem Debütroman von Britta Röder. Der Leser taucht mit Ron in altbekannte Bücherwelten ein - von Shakespeares 'Romeo und Julia' über Puschkins 'Eugen Onigin' bis hin zu Cervantes 'Don Quijote' geht die Reise quer durch Zeit und Raum.
Kursiv gedruckt stößt der Leser dabei auf Zitate aus den bekannten Werken, die gekonnt in die Handlung eingefügt sind und die Neugierde auf die Klassiker wecken, sofern man sie noch nicht kennt. Britta Röder hat darüber hinaus ihren Schreibstil dem altertümlichen Ausdruck der genannten Werke angepasst, was mir gut gefallen hat und zuweilen sehr poetisch anmutete, ohne aufgesetzt zu wirken. Ein angenehm flüssiger Schreibstil, und auch die gelegentlichen Schachtelsätze stellen hier keine Überforderung dar.


"Wenn du nicht auf direktem Weg zum Ziel kommst, dann nimm einen Umweg." - "Aber mein schöner perfekter Plan..." - "Sei flexibel. Das Leben lässt sich nicht so einfach dirigieren und berechnen. Es folgt seinen eigenen Gesetzen." - "Das Leben? Aber wir reden doch hier von der Kunst." - "Na, du bist mir ja ein schöner Künstler, wenn du meinst, das voneinander trennen zu können." (S. 97)


Die Handlung springt dabei von den Geschehnissen um Ron und seiner Suche nach Rosalia zwischendurch auch zu Magus, seinem Cousin. Er, der schon lange in der Stadt wohnt, seit Jahren Tür an Tür mit Charlotte, in die er heimlich verliebt ist, sich jedoch nicht traut, ihr diese Liebe zu gestehen. Und auch wenn es anfangs gar nicht so scheint: Magus spielt eine überaus gewichtige Rolle in diesem Stück.


Tagsüber war er ein Mann der vielen Gespräche. Abends kehrte er erleichtert heim, um die Ruhe und Erholung zu suchen, die er nur in den eigenen vier Wänden fand. In diesen Stunden dämmerte ihm manchmal, dass er vielleicht der einsamste Mann der Welt war. (S. 26)

Immer fließender werden im Verlauf der Geschichte die Grenzen zwischen Lesen und Erleben. Und immer stärker rückt die existentielle Frage in den Vordergrund, wo zwischen Realität und Fiktion jeder einzelne seine eigene Wirklichkeit (er-)findet. Doch im festgelegten Handlungsgefüge eines Romans ist es nicht einfach, eine eigene Geschichte zu erleben.


Es war nicht dumm Angst zu haben, sondern natürlich. Sie hatten erkannt, dass sie frei waren. Darin lag ihre große Chance, aber auch ihre größte Bedrohung. Denn die Freiheit zwang sie zur Wahl. Sie waren gezwungen, weiterzugehen, auch wenn sie nicht wussten wohin. (S. 132)


Bei aller Begeisterung gilt es jedoch auch, einen kleinen Kritikpunkt nicht zu verschweigen: das Schriftbild. Viel zu klein die Schrift, dazu noch ein geringer Zeilenabstand - da gerät das Lesen schnell zu einer unnötigen Anstrengung. Mir verleidete dies leider ein wenig die Lesefreude, was ich schade fand.

Ansonsten ist es ein bezauberndes Debüt, und ich hoffe sehr, dass Britta Röder nach 'Die Buchwanderer' und 'Zwischen den Atemzügen' noch weitere Ideen für tolle Bücher in petto hat! Ich werde jedenfalls Ausschau danach halten!


© Parden









Britta Röder in einem Café in Málaga
Zu meinem Lebenslauf gibt es eine offizielle und eine inoffizielle Variante. Hier kommt die Offizielle: 1967 geboren in Trier, aufgewachsen in Mainz, Magisterstudium in den Fächern Romanistik, Slawistik und Mittlere/Neue Geschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und an der Université de Bourgogne in Dijon. Nach dem Magisterabschluss Einstieg ins Berufsleben. Seit 2000 arbeite ich bei einem großen Fachzeitschriftenverlag in Frankfurt/Main. Und zur Inoffiziellen gelang ihr über meine Homepage...
 Quelle Text


Samstag, 11. Juli 2015

Kafka, Franz: Brief an den Vater

Franz Kafkas Brief hat den Vater nie erreicht. Dagegen fand der Text durch Max Brods posthume Edition eine breite Leserschaft: Die Klage des Sohnes über den übermächtigen Vater wurde zu Literatur. Kafka scheint sich in die Reihe der Protagonisten seiner Erzählungen einzugliedern; wie Georg Bendemann im »Urteil« stellt er fest: »Mein Vater ist immer noch ein Riese.« Der Brief an den Vater ist Mittler zwischen Werk und Wirklichkeit. Nicht nur die äußeren Lebensumstände des Prager Versicherungsangestellten werden erfahrbar, sondern auch die innere Welt des Schriftstellers, dessen ebenso beunruhigendes wie inspirierendes Werk die Geschichte der Literatur dieses Jahrhunderts nachhaltig beeinflußt hat.







  • Taschenbuch: 96 Seiten
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 8 (1. November 1999)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3596146747
  • ISBN-13: 978-3596146741





 

 

LEBENDIGES ZEUGNIS...

 
 

 
Der nie abgesandte Brief an den Vater (1919) gilt als Schlüssel zum dichterischen Werk Franz Kafkas (1883–1924). Dieses eindrucksvolle Zeugnis eines dramatischen Vater-Sohn-Konfliktes kann als ein ganz besonderes Dokument der Weltliteratur bezeichnet werden. Anklage und Selbstanalyse zugleich, vermittelt es dem Leser Einblick in das komplizierte Seelenleben des Autors. In eindringlichen Worten, denen man sich kaum entziehen kann, rechnet Kafka mit seinem autoritären Vater ab, der ihm so tyrannisch und übermächtig erschien...

Kafka hat den in seiner Handschrift mehr als hundert Seiten langen Brief 1919 in einer Pension in Schelesen geschrieben. Er hat den Brief nie abgeschickt oder ihn dem Vater übergeben. Mit 36 Jahren hat er sich daran gemacht, in Form eines Briefes mit dem Vater 'Frieden zu schließen', den für sein gesamtes Leben so wichtigen Konflikt mit dem Vater schreibend zu bewältigen. Womöglich hatte der Brief seinen Zweck schon im Imaginären erfüllt: Im Bewusstsein, sich dem Vater einmal so vollständig wie möglich gegenüber zu erklären, sich überhaupt erklären zu können.
 
Dabei versteht Kafka seine Darstellung niemals als bloße Anklage, sondern ist immer bemüht, auch die Schuldlosigkeit des Vaters festzuhalten. Zwei zu unterschiedliche Wesen, ein von Anfang an übermächtiger Vater, dem weder das Kind noch der erwachsene Mann ebenbürtig werden konnten - so hören sich seine Entschuldigungen an. Dennoch litt Franz Kafka Zeit seines Lebens unter dem Eindruck des Vaters, wovon der Brief das lebendigste Zeugnis gibt.

Wann immer ich mich den Werken Kafkas bislang gewidmet habe, gab ich letztlich entmutigt auf - vielfach fehlte mir schlichtweg der Zugang, das Verständnis. Dieser Brief verdeutlicht jedenfalls eines, nämlich wo die für Kafka so  typische Atmosphäre existenziellen Ausgeliefertseins ihren Anfang nimmt: im Elternhaus. In dieser brieflichen Auseinandersetzung mit seinem Vater, in der Kafka auch schon dessen Entgegnungen antizipiert und wiederum hierauf eingeht, liegt ein Schlüssel zum Verständnis seines schriftstellerischen Werkes.
 
Ein fiktiver Diskurs zwischen Vater und Sohn, der Kafka geholfen haben mag, seine Kindheit und Jugend Revue passieren zu lassen und letztlich auch aufzuarbeiten, der aber auch in jedem Fall dem Leser vor Augen führt, was Kafkas Werken zugrunde liegt. Ein beunruhigender aber aufschlussreicher Einblick...


© Parden























Franz Kafka (jüdischer Name: אנשיל, Anschel; * 3. Juli 1883 in Prag, Österreich-Ungarn; † 3. Juni 1924 in Klosterneuburg-Kierling, Österreich) war ein deutschsprachiger Schriftsteller. Sein Hauptwerk bilden neben drei Romanfragmenten (Der Process, Das Schloss und Der Verschollene) zahlreiche Erzählungen. Kafkas Werke wurden zum größeren Teil erst nach seinem Tod und gegen seine letztwillige Verfügung von Max Brod veröffentlicht, einem engen Freund und Vertrauten, den Kafka als Nachlassverwalter bestimmt hatte. Kafkas Werke zählen unbestritten zum Kanon der Weltliteratur.


HIER gibt es auf einer eigenen Homepage noch zahllose weitere Informationen zu Franz Kafka!