Donnerstag, 31. Dezember 2015

Geist, Andreas: Hamburg Rain 2084: Die Seuche (Band 6)



Eine Stadt im ewigen Regen. Eine Stadt mit hierarchisch gegliederten Ebenen. Eine Welt voller Geheimnisse, Träume und Verbrechen: Hamburg Rain 2084 - Die größte dystopische Science Fiction eBook-Serie des 21. Jahrhunderts von Herausgeber Rainer Wekwerth!

Der Joker, ein brillanter Hacker, dringt in die Hochsicherheitssysteme der Stadt ein und niemand ist vor ihm sicher. Andreas Melzer, Fallanalytiker für Cyberkriminalität bei der Kripo Hamburg, wird von Aron Fuller, dem Vorstand der bedeutendsten Sicherheitsfirma Hamburgs, engagiert, den Joker zur Strecke zu bringen. Die Suche nach dem Joker wird für die beiden zur Reise in die eigene dunkle Vergangenheit, bei der tief verschüttete Erinnerungen ans Tageslicht kommen. In welcher Verbindung stehen die beiden zum Joker? Ein Abgrund tut sich auf, der letztlich ganz Hamburg zu verschlingen droht.


(Klappentext Verlagsgruppe Droemer Knaur)


  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1012 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 188 Seiten
  • Verlag: Knaur eBook; Auflage: 1 (7. Dezember 2015)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B0106SQ2VQ










 VOM KLEINEN STEINCHEN ZUM APOKALYPTISCHEN MOSAIK...


Hamburg ist im Jahr 2084 im ewigen Regen nach einer Klimakatastrophe zum Moloch mit 22 Millionen Einwohnern herangewachsen. Bauwerke früherer Epochen sind zu einem einzigen Gebäude verschmolzen, das sich über eine gigantische Fläche erstreckt und weit in den Himmel ragt. Wie ein surreales Gebilde aus dem Traum eines Wahnsinnigen reckt es seinen Körper aus Stein, Glas und Stahl in die Wolken und unablässig fließt der Regen an seinen Milliarden Ecken und Kanten herab. Dieser gigantische Koloss ist in Ebenen unterteilt, die weit in die Höhe und tief unter die Oberfläche reichen. Das Leben ist streng hierarchsich organisiert: Je reicher, desto weiter oben; je ärmer, desto weiter unten. Während sich oben im wenigen Sonnenlicht die Reichen und Schönen vergnügen, leben die Armen in Dunkelheit und Müll. Nur die Mittelschicht bildet da mit ihren Träumen von einer besseren Wetl die Ausnahme. Und manchmal geschieht es, dass jemand den zugewiesenenLebensraum verlässt. Mit unvorhersehbaren Folgen. Davon handeln die Storys der dystopischen Science Fiction eBook-Serie 'Hamburg Rain 2084'.

'Die Seuche' ist der sechste und damit letzte Band der ersten Staffel des spannenden Future Fiction eSerials.  Die Bände in der Reihenfolge ihres Erscheinens sind:
  1. V2
  2. Sundown
  3. Rehab
  4. Zerfall
  5. Risse im Fundament
  6. Die Seuche
Alle Bände sind unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge lesbar.


* * *


Andreas Melzers Vergangenheit ist ein Reich dunkler Schatten. Als Fallanalytiker für Cyberkriminalität der Kripo Hamburg geht er neue Wege, um komplexe kybernetische Zusammenhänge essentieller Sicherheitssysteme und ihre Schwachstellen aufzudecken. Aron Fuller ist Vorstand der bedeutendsten Sicherheitsfirma der Stadt. Sein Einfluss reicht in höchste Politikerkreise. Er engagiert Andreas Melzer, um den geisterhaften Joker, einen brillanten Hacker, der in die Hochsicherheitssysteme der Stadt eindringt, zur Strecke zu bringen. Die Suche nach dem Joker wird für Andreas Melzer und Aron Fuller zur Reise in die eigene Vergangenheit. Die drei Männer verbindet eine verlorene Stunde ihres Lebens, in der sich ein Abgrund auftut, der letztlich die ganze Stadt zu verschlingen droht...


"Wir haben unsere Umwelt so radikal verändert, dass wir uns jetzt selbst ändern mmüssen, um in dieser neuen Umwelt existieren zu können." (Norbert Wiener, 1894-1964, amerikanischer Mathematiker und Begründer der Kybernetik)


Was für ein verblüffendes Buch. Wechselnde Perspektiven sorgen zunächst für Verwirrung, bis man glaubt, Handlung und Personen allmählich fassen zu können - doch dann dreht der Autor einem eine lange Nase und führt einen in Abgründe hinein, die kaum vorstellbar scheinen, und doch...


"Alles war vorbestimmt und doch unvorhersehbar, denn die Chaostheorie beherrschte komplexe Systeme mit ihren Viel-Variablen-Problemen. Es gab keine Zufälle. Es war der Flügelschlag eines Insekts, der über Leben und Tod einer Zivilisation entschied (...) Alles folgte einem Plan, der sich über Jahrtausende aus einzelnen Steinchen zu einem apokalyptischen Mosaik zusammenfügte (...) Es hatte begonnen, und niemand würde es aufhalten."


Einer der Superreichen der obersten Etagen Hamburgs verstirbt, was im Grunde gar nicht möglich ist, weil mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und den immensen Fortschritten der Technik wäre sogar der Tod käuflich. Und doch ist der Mann einer Infektion erlegen, was Andreas Melzer, den Cyberfachmann der Polizei, misstrauisch werden lässt. Dann tauchen plötzlich in den Tiefen des Internets versteckte Botschaften 'der Söhne Adams' auf, die damit drohen alles niederzubrennen und die Welt in eine Wüste zu verwandeln, damit alles von Neuem beginnen kann. Und schließlich taucht die Nachricht auf, dass der Untergang der Stadt begonnen habe.

Was soll Andreas Melzer davon halten? Das Werk von einigen Spinnern? Eine Sekte? Oder tatsächlich eine Bedrohung ungeahnten Ausmaßes? Als Aron Fuller, Vorstand der bedeutendsten Sicherheitsfirma der Stadt, sich an Melzer wendet, um gemeinsam mit ihm den Joker zu jagen, der diese Nachrichten zu verbreiten scheint, ahnt der Fallanalytiker für Cyberkriminalität, dass es sich hier um äußerst ernstzunehmende Vorgänge handeln muss...


Hamburg war ein kybernetisches Monster geworden, in dem die Macht über die Maschinen in den Händen der Ungerechten lag. Dieses Monster fraß seine unschuldigen Kinder. Dabei gab es eine Kybernetik höherer Ordnung. Es war so einfach: Er (...) würde den Maschinen Leben einhauchen. Weiter nichts. Ihre Maschinencodes hatten - wie vor Jahrmilliarden die genetischen Codes der Archäbakterien - die Schwelle des Lebendigen erreicht.



Ein spannendes Buch hat Andreas Geist hier geschaffen, das am Anfang so gar nicht zu erkennen gibt, wohin es den Leser letztendlich führen wird. Viele Begrifflichkeiten aus dem Bereich der Informations- und Datenverarbeitung, die mir gelegentlich den Kopf schwurbeln ließen, aus denen sich jedoch allmählich ein logisches Konstrukt herauszuschälen begann, dem ich fasziniert folgen konnte - Future Fiction vom Feinsten.


"Wer war er wirklich, und wem konnte er trauen?"


Nichts ist, was es zu sein scheint, und ebenso wie Andreas Melzer sollte der Leser nichts von dem glauben, was ihm da anfangs vor die Augen gerät. Die Charaktere bleiben bei gerade mal 188 Seiten eher an der Oberfläche, doch empfand ich das in diesem Fall nicht als störend - die Geschichte selbst, die Idee dahinter ist es, die hier im Vordergrund steht und auch stehen sollte. Dennoch baute Andreas Geist in die Erzählung einige liebevolle Details ein, die mich zwischenzeitlich schmunzeln ließen:


"...würde jeden Augenblick vom Abendessen aus dem Udo-Lindenberg-Restaurant zurück sein, das nach einem Musiker benannt war, der im alten Atlantic-Hotel viele Jahre gelebt haben sollte..."


Future Fiction, verankert in unserer Gegenwart und Vergangenheit - ein Konstrukt, das mir gut gefallen und mir unterhaltsame Lesestunden beschert hat.


© Parden







 Vorab erschien das (kostenlose) Prequel zur Reihe:



  HIER geht es zur Rezension




Die sechs Bände der ersten Staffel gibt es entweder in einem Sammelband (ab März 2016)


9783426437629


oder aber einzeln, wobei diese nacheinander alle paar Wochen bis Dezember 2015 erschienen. Hier mal die Reihenfolge des Erscheinens...


http://ecx.images-amazon.com/images/I/51MBGQwyWVL._AC_UL160_SR101,160_.jpg
















Die Verlagsgruppe Droemer Knaur schreibt über den Autor:


übernommen von der Verlagsgruppe Droemer Knaur

Mittwoch, 30. Dezember 2015

Beigbeder, Frédéric: 39,90. Neununddreißigneunzig


Dieser Skandalroman aus Frankreich kostete Frédéric Beigbeder den Job in einer bekannten Werbeagentur und katapultierte ihn auf Platz eins der Bestsellerlisten - ein wildes Pamphlet gegen den Totalitarismus von Medien und Werbung und die neoliberale Pervertierung der Demokratie. Beigbeder reiht sich damit ein in die Front jener Autoren um seinen Freund Michel Houellebecq, die den Verantwortlichen der globalen Realität einen «Kampf auf Leben und Tod» angesagt haben. 

Octave Parango hat einen Topjob in einer noblen Pariser Werbeagentur, massig Luxus, Geld und einen solchen Überdruss an seinem Gewerbe, dass ihm davon schlecht würde, gäbe es nicht den Koks, die Frauen und den Zynismus. Schamlos verdammt er sich und seine Welt, weil alles darin käuflich ist. Zugleich bringt ihn der Erfolg einer Kampagne für einen Null-Fett-Joghurt an die Spitze der Agentur. Doch eines Nachts, bei Dreharbeiten zu einem Werbespot in Florida, entlädt sich Octaves ganzer Hass in einer blutigen Gewalttat ...


  • Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
  • Verlag: Rowohlt; Auflage: 2 (29. Mai 2001)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Brigitte Große
  • ISBN-10: 3498006177
  • ISBN-13: 978-3498006174















DEKADENZ IN REINKULTUR...


Octave Parango hat einen Topjob in einer noblen Pariser Werbeagentur, Luxus ohne Ende und die Schnauze so voll, dass ihm davon schlecht würde, gäbe es nicht den Zynismus, die Frauen und den Koks. Schonungslos verdammt er seine Welt, in der einfach alles käuflich ist – er selbst eingeschlossen. Bei den Dreharbeiten zu einem Werbespot entlädt sich sein Hass in einer ungeheuerlichen Gewalttat.

Der Sensationserfolg! Dieser Skandalroman aus Frankreich kostete Frédéric Beigbeder den Job in einer bekannten Werbeagentur und katapultierte ihn auf Platz eins der Bestsellerlisten - ein wildes Pamphlet gegen den Totalitarismus von Medien und Werbung und die neoliberale Pervertierung der Demokratie. Beigbeder reiht sich damit ein in die Front jener Autoren um seinen Freund Michel Houellebecq, die den Verantwortlichen der globalen Realität einen «Kampf auf Leben und Tod» angesagt haben.

«Beigbeder verhöhnt Missgunst, Kleinkariertheit und intellektuelle Verkommenheit der Werbebranche.» (Time) «Mit einem zornigen Insider-Porträt der Werbeindustrie gelang Frédéric Beigbeder ein Romanhit.» (Der Spiegel) «Frankreich hat nach Michel Houellebecq einen neuen Skandalliteraten.» (Süddeutsche Zeitung) «Ein Romanhit.» (Der Spiegel) «Eine komplett wahnsinnige Mischung aus Romanfragmenten, ideologiekritischen Essays zum Thema und zynischen Anekdoten macht die Qualität des Buches aus.» (Süddeutsche Zeitung)



"Verkaufen Sie die Leute nicht für blöd, aber vergessen Sie nie, dass sie es sind." (S. 33)


Bewusst habe ich mal den kompletten Klappentext einschließlich der zitierten Meinungen diverser Zetischriften zu diesem Buch vorangestellt, um zu verdeutlichen, mit welcher Erwartung ich an dieses Buch gegangen bin.

Enthüllungen? Skandalroman? Widerstand gegen die Globalität sowie gegen den Totalitarismus von Medien und Werbung? Gerne, her damit!

Doch leider sitze ich jetzt hier, wie schon über große Strecken während der Lektüre, atme noch einmal tief durch und denke: was sollte das? Plakativ wird dem Leser hier die Dekadenz von Medien und Gesellschaft vor Augen geführt, tatsächlich aber habe ich überhaupt nichts Neues erfahren, und das einzige, was ich dem Buch vielleicht zugte halten könnte, wäre die Tatsache, dass ich dadurch an meiner Toleranz- und Ekelgrenze arbeiten konnte.

Klischeehafte Darstellungen ohne Biss und eine durchgängig ordinäre Ausdrucksweise lassen dem Zynismus kaum den notwendigen Spielraum - Verachtung, das ist es, was hier transportiert wird, für mich oft eher primitiv denn provokativ. Gekonnt jongliert Beigbeder hier mit den Begriffen aus der Werbebranche, was aber kein Wunder ist, da er aus dem Metier kommt. Ich habe nicht in jedem Fall erfasst, was da ausgedrückt werden sollte, wohl aber, dass da jemand recht selbstverliebt sein Wissen zur Schau stellt.


"In einer blockierten Gesellschaft, wo jeder schuldig ist, ist es das einzige Verbrechen, sich erwischen zu lassen. In einer Welt der Diebe ist Dummheit die einzige unverzeihliche Sünde." (S. 203)


Nur selten lässt der Hauptcharakter Octave uns die Möglichkeit, in sein wahres Inneres hineinzuschauen. Seine Freundin Tamara formuliert dies treffend: 'Viele Ekel machen auf nett; du bist ein Netter, der auf Ekel macht.' Ansonsten ist er der coole Typ, dessen Tun durch seinen Welthass, gleichzeitig aber auch durch seine Selbstverliebtheit bestimmt wird. Um die Welt, in der er lebt, überhaupt noch ertragen zu können, bleibt ihm nur der zugekokste Zynismus. Ein wirklicher Roman ist dies nicht, eher Fragmente daraus, eine Art Dauerwiederholung ohne wirkliche Intensität, gespickt mit sexistisch-verächtlichen Phrasen. Zuweilen rufen die Schilderungen durchaus Ekel hervor, Desillusion ebenso, vor allem aber eines: Langeweile.

Am Ende lässt sich festhalten, dass dieses Buch durchaus in die Welt der Werbebranche passt: es ist für mich eine Mogelpackung. Schade, ich hatte hier etwas ganz anderes erwartet...


© Parden















Frédéric Beigbeder wurde 1965 im Pariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine geboren. Durch die frühe Scheidung seiner Eltern entwickelte er eine starke Bindung zu seinem Bruder Charles Beigbeder, einem französischen Unternehmer der Energiewirtschaft. Beigbeder studierte an der Sciences Po Paris Politikwissenschaft und wurde nach der Veröffentlichung seines ersten Romans Memoiren eines Sohnes aus schlechtem Hause von der Werbeagentur Young & Rubicam engagiert. Dort arbeitete er zehn Jahre als Texter und Conceptioner. Mit der Veröffentlichung seines Romans Neununddreißigneunzig (99 francs) wurde er über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt und zugleich zu einem der Stichwortgeber der Konsumkritik. Weitere Romane folgten.
1994 rief er den Prix de Flore für junge Autoren (benannt nach dem berühmten Café de Flore in St.-Germain-des-Prés) ins Leben, zu dessen Preisträgern Michel Houellebecq und Virginie Despentes zählen. Im Jahre 2005 war Beigbeder zusammen mit Alain Decaux, Richard Millet und Jean-Pierre Thiollet Gastschriftsteller auf der Buchmesse in Beirut. 2009 erhielt er für sein Werk Un roman français den Prix Renaudot.

übernommen von Wikipedia.de, Stand 30.12.2015

Dienstag, 29. Dezember 2015

Schami, Rafik: Märchen aus Malula




Neu und auf ganz eigene Weise erweckt Rafik Schami in diesem Band die schönsten überlieferten Geschichten aus seinem Heimatdorf Malula in den Bergen Syriens zu neuem Leben. Erzählt wird von einem schwangeren Mann, dessen Tochter bei den Gazellen aufwuchs, vom Großvater, der vierhundert Jahre lang sein Gewehr trug, vom Sultan und seinem neunmalklugen Wesir und vielen anderen mehr.

(Klappentext Hanser Verlag)



  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 2346 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 202 Seiten
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • Illustrator: Root Leeb
  • ASIN: B005DKROEM














EIN WUNDERVOLLER ZUFALL...


"Meine Großmutter mütterlicherseits wäre mit Sicherheit eine Heilige, hätte der Vatikan den Himmel nicht den Europäern vorbehalten."


Mit diesem Satz beginnt Rafik Schami sein Vorwort zu diesem Buch, und gleich hat er mich wieder gepackt mit seiner leisen Ironie, die dann und wann gerne aufblitzt bei Werken dieses Autors. Doch dann beschreibt Schami weiter, wie es überhaupt dazu kam, dass dieses Buch geschrieben werden konnte - und wie sich herausstellt: es war alles einem wundervollen Zufall zu verdanken.

1984 hielt der Autor in Nürnberg eine Lesung und traf dabei auf einen Mann, der neugierig auf Schamis Heimatdorf Malula zu sein schien. Bei einem Gespräch stellte sich heraus, dass dieser Mann in seiner Doktorarbeit die Sprache des syrischen Dorfes neu untersuchen wollte - dieses 3000 Jahre alten Örtchens, wo Muslime und Christen noch aramäisch sprechen, die Sprache Jesu also. Dieser Mann ließ Rafik Schami eine Kopie seiner Doktorarbeit zukommen, und im Anhang machte der Autor schließlich eine Entdeckung: Meherer Literaturangaben wiesen auf Bücher und Zeitschriften hin, die die Märchen, die Geschichte und die Sprache Malulas behandelten. Bei weiteren Recherchen stieß Schami schließlich tatsächlich auf einen Märchenband - in Aramäisch und Deutsch waren dort Geschichten aus Malula festgehalten. Hundertsechzehn Jahre nach dem Tag, an dem zwei Orientalisten die ersten Geschichten aus Malula erzählt bekommen hatten, entdeckte Schami sie in der Bundesrepublik. Und so hatte diese Märchensammlung schon eine geradezu märchenhafte Entstehungsgeschichte...



Blick von Osten über das Stadtzentrum (2007) Quelle Wikipedia


Natürlich hat Rafik Schami nicht alle neuaramäischen Märchen seines Heimatdorfes verwendet, derer er habhaft werden konnte, sondern hat eine Auswahl getroffen. Die Geschichten, die ihn selbst faszinieren konnten, gibt der Autor hier auf seine ganz eigene, unnachahmliche Art wieder. Er schreibt selbst, dass er die Märchen Malulas so wiedergibt, wie er sich vorstellte, dass sie einst fabuliert wurden - oder wie er wünschte, dass sie so erzählt worden wären. Ein einziges der hier versammelten Märchen stammt komplett aus der Feder Rafik Schamis.


"Lass es dir von einem Derwisch sagen, mein Junge. Nur Gott ist allwissend, doch ich habe in einem alten Buch gelesen: Unter den Häusern Syriens sind aramäische Grundmauern, und jedesmal, wenn ein Aramäer stirbt, löst sich ein Stein davon in Luft auf. Die Mauer wird mit jedem verlorenen Stein schwächer. Hingegen befestigt jeder aramäische Nuegeborene sie mit einem neuen Stein."


Eine eigenartige und vom Autor vermutlich unbeabsichtige Verbindung zum aktuellen Weltgeschehen besitzen diese Märchen. Haben doch vor kurzem radikale Islamisten bewiesen, dass es mit der in den Geschichten noch vielgerühmten Uneinnehmbarkeit Malulas nicht mehr weit her ist. Und auch bezüglich der Flüchtlingssituation der Syrer finden sich hier fast schon prophetisch anmutende Parallelen:


"Nachdem die Aramäer ihren Durst und Hunger etwas gestillt hatten, sprach die Fee. 'Ich hole euch hier heraus und führe euch an einen sicheren Ort, doch ihr müsst mir euer Wort geben, dass ihr, so hoch auch der Preis dafür sein möge, Flüchtenden euer Haus und Herz öffnet. Und so wie ich eure Rufe nicht überhörte, so dürft ihr eure Ohren ihren Hilferufen nicht verschließen.'"


Rafik Schami ist ein Meister der Fabulierkunst, wie mich bereits andere Bücher des Autors gelehrt haben. Und so ist es ein Vergnügen, in diese Märchenwelt in der Tradition von 'Tausendundeiner Nacht' einzutauchen. Schami entführt hier den Leser in seine alte Heimat in Syrien und lässt ihn eintauchen in die Geschichten seiner Ahnen. Lehrreich und komisch, voller Bosheit und List, reich an orientalischen Weisheiten und der Lust am Fabulieren. Oftmals hält sich der Autor an die typischen Elemente der Märchenerzählung, manchesmal aber vermag er auch zu überraschen:


"Na, Sie wollen noch wissen, ob der König Samira heiratete, ja? Man hat es den beiden zwar empfohlen, doch auf ein solch abgenutztes Ende der Geschichte hatten sie keine Lust und haben darauf verzichtet."


Eine bezaubernde Sammlung alter Märchen präsentiert Rafik Schami hier und entführt mit großer Fabulierkunst in fremde Welten und Zeiten. Eine unbedingte Empfehlung von mir...


© Parden













Rafik SchamiDer Hanser Verlag schreibt über den Autor:

Rafik Schami wurde 1946 in Damaskus geboren und lebt seit 1971 in Deutschland. 1979 promovierte Rafik Schami im Fach Chemie. Seit 2002 ist er Mitglied der Bayerischen Akademie der schönen Künste. Sein Werk wurde in 24 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, so u.a. mit dem Preis "Gegen das Vergessen - Für Demokratie" (2011) und zuletzt mit dem Großen Preis der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur sowie dem Preis der Stiftung Bibel und Kultur (2015). Im Hanser Kinderbuch erschien zuletzt Das Herz der Puppe (2012) und Meister Marios Geschichte (2013), im Erwachsenenprogramm des Verlages Die dunkle Seite der Liebe (Roman, 2004)  Das Geheimnis des Kalligraphen (Roman, 2008), Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte (2011) und Sophia oder Der Anfang aller Geschichten (2015).


übernommen vom Hanser Verlag

Montag, 28. Dezember 2015

Krätschmar, Tania: Winterherz




Biologin Ella hat eine große Leidenschaft: Wölfe. Ihr großer Traum ist es, Hinweise auf die Tiere in der Schorfheide nordöstlich von Berlin zu finden. Auf einem ihrer Streifzüge lernt sie dabei den zurückhaltenden, geheimnisvollen Sander Engelbrecht kennen. Es beginnt mit einer kleinen Katastrophe – und entwickelt sich zu einer flammenden Romanze inmitten der Winterlandschaft. Aber Sanders heftige Abneigung gegen die Wölfe bedroht Ellas Glück. Sie ist fest entschlossen, ihn von sich und den Tieren zu überzeugen…


(Klappentext Verlagsgruppe Droemer Knaur)


  • Taschenbuch: 288 Seiten
  • Verlag: Knaur (4. Oktober 2010)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3426506653
  • ISBN-13: 978-3426506653

















SPUREN IM SCHNEE...


Die 33-jährige Ella Ridder kommt ursprünglich aus Berlin, lebt nun aber bereits seit etwa einem Jahr in einer Blockhütte in einem Wald in der Schorfheide nordöstlich der Hauptstadt, um sich als Biologin ganz für das Forschungsprojekt 'Wölfe' einzusetzen. Ihr größter Wunsch ist es, auch in dieser Region auf Spuren der scheuen Tiere zu stoßen und dabei womöglich nicht nur durch den Landstrich schnürende Wölfe zu entdecken,  sondern mitzuerleben, dass diese sich in ihrer Gegend sogar wieder ansiedeln.


Endlich war er da, der Winter, den sie so dringend brauchte. Mit seinem Schnee, der sich hoffentlich bald wie ein weicher, weißer Teppich auf die Landschaft legen würde, als perfekter Untergrund für die Spuren ihrer sonst unsichtbaren Bewohner. Und mit der Chance, deren Geheimnisse zu ergründen, von denen so viel für sie abhing. (S. 79)


Ständiger Begleiter Ellas ist ein junger Wolfshybrid - eine Mischung aus Wolf und Hund. Auf den ersten Blick sieht er einem Wolf zum Verwechseln ähnlich, und dies ist auch der Eindruck, den Sander Engelbrecht erhält, als das Tier unerwartet in seinem Museumspark am Rande der Schorfheide auftaucht und gleich eine ganze Schulklasse in Angst und Schrecken versetzt. Sander lässt sich nur schwer beruhigen und gehört ganz offensichtlich zu denen, die den Plänen der 'Wolfslady' ausgesprochen kritisch gegenüber steht. Auch anderen Bewohnern der Schorfheide ist die Arbeit der hübschen Biologin ein Dorn im Auge - tiefsitzende Ängste und althergebrachte Vorurteile bilden eine schwer durchlässige Mauer des Misstrauens.

Sanders heftige Abneigung gegen die Wölfe fordert Ellas Widerspruchsgeist heraus. Sie ist fest entschlossen, ihn von den Tieren zu überzeugen - und vielleicht sogar von sich selbst...


"Keine Ahnung, was er treibt! Er macht ja aus allem ein Geheimnis! Vielleicht (...)" --- "Ella, du übertreibst." Josephine lachte. "Für mich klingt das, als ob der Eiskönig auf die Sonnenprinzessin getroffen ist. Bring sein Witnerherz zum Schmelzen, und gut ist." (S. 213)


Eine nette kleine Romanze im Winterkleid präsentiert Tania Krätschmar hier. Abwechselnd werden in flüssigem Schreibstil die Geschehnisse aus der Perspektive von Ella und Sander erzählt, wobei auch kleine Rückblenden in vergangene Geschehnisse mit eingebaut sind. Das Thema der Wölfe ist schon sehr speziell und wird im Laufe der Erzählung mit sachlichen Informationen untermauert. Dabei dominiert zunehmend die romantische Entwicklung der Beziehung zwischen Ella und Sander - mit all ihren Höhen und Tiefen sowie mit zahlreichen unterhaltsamen Dialogen. Überraschende und verwirrende Ereignisse sorgen für leichte Spannungsmomente, lassen aber im Grunde keinen Zweifel am Ausgang des Romans.

Eine unkomplizierte, unterhaltsame Lektüre für einen gemütlichen Nachmittag auf dem Sofa.


© Parden















Die Verlagsgruppe Droemer Knaur schreibt über die Autorin:

Tania Krätschmar wurde 1960 in Berlin geboren. Nach ihrem Germanistikstudium in Berlin, Florida und New York arbeitete sie als Bookscout in Manhattan. Heute ist sie als Texterin, Übersetzerin und Autorin tätig. Sie lebt mit ihrem Sohn in Berlin.

übernommen von der Verlagsgruppe Droemer Knaur

Sonntag, 27. Dezember 2015

Weihnachten 2015

Schon sind sie wieder vorbei, die Weihnachtstage. Vergessen der Rummel im Vorfeld, dem sich kaum jemand entziehen kann. Nicht vergessen jedoch die nette Stimmung, die die Weihnachtstage begeleitet hat - jedenfalls bei uns.



Hier ist unser kleiner Weihnachtsbaum zu sehen, der in diesem Jahr mit wiederentdecktem Schmuck meiner verstorbenen Eltern und Großeltern behangen ist - ein wenig von ihnen war so auch bei uns. Nur zu Lametta konnte ich mich nicht aufraffen - das mag ich einfach nicht.







Selbstgebackene Plätzchen gehören natürlich auch immer dazu - allein schon auf den Duft, der beim Backen durch die Wohnung zieht, möchte ich gar nicht verzichten. Was bis Heiligabend nicht schon verschenkt oder verzehrt war, kam selbstverständlich auf den Weihnachtsteller. Heute gibt es nur noch rudimentäre Reste...


Die Bescherung offenbarte in diesem Jahr wieder einmal einige Überraschungen. Kleinigkeiten oft nur, die mich aber riesig gefreut haben - zeigt es doch, dass an einen gedacht wird. Neben zahlreichen Karten, selbstgemachten Plätzchen und Pralinen, kleinen Weihnachtsaccessoires und Theaterkarten für das kommende Jahr gab es noch so einige Besonderheiten, die ich hier kurz festhalten möchte.


Dieser kleine Kerl beispielsweise zog jetzt bei mir ein. Ein Bücherfreund sei dies, so wurde mir gesagt, der sehr interessiert verfolgt, was in diesem Hause so gelesen wird. Eine Handarbeit mit Liebe zum Detail, für die ich mich sehr bedanken möchte. Sicher taucht der kleine Geselle, der hier noch ein wenig verschüchtert schaut, demnächst auf dem ein oder anderen Foto hier im Blog auf. Ein schönes Pendant zu Uwes Büchergesellen, wie ich finde...

Der kleine Kerl hatte gleich so einiges zu begutachten...

Einen selbstgestalteten Kalender von meiner Freundin beispielsweise - alle Bilder darin selbst gemalt bzw. gestaltet. Mir gefällt er sehr gut.

Ein kleines Buch mit Dezember-Gedichten war auch dabei...


Und eine Zeitung aus Mittelerde hat mich erreicht. Wer wusste schon, dass es so etwas überhaupt gibt? Als großer Tolkien Fan hat mich das natürlich sehr gefreut... 


Und wirklich riesig gefreut habe ich mich über dieses Geschenk. Harry Potter und der Stein der Weisen (Band 1 der Reihe) als wunderschön illustrierte Ausgabe. Knapp 1500 Gramm wiegt das Buch, das wie ein Bildband in der Hand liegt. Der Text wurde vollständig 1:1 übernommen - die Lektüre dürfte demnach ein ungetrübtes Vergnügen sein. 



Ich musste mich jedenfalls sehr zusammenreißen, damit es hier erst einmal bei einem faszinierten Durchblättern blieb. Wie ich gelesen habe, wird nun jährlich der jeweilige Folgeband der Reihe als illustrierte Ausgabe erscheinen. Als Harry Potter Fan und nachdem ich mich sofort in dieses Buch verliebt habe, dürfte wohl klar sein, was ich mir nun jährlich zu Weihnachten wünsche...


In jedem Fall habe ich die Weihnachtstage sehr genossen und konnte mal so richtig ausspannen. Ich hoffe, unseren Lesern sowie den anderen Teilnehmern hier im Blog haben die Festtage auch nicht zu viel abverlangt - auch wenn ich weiß, dass wenigstens einer von ihnen beruflich unterwegs war statt mit seiner Familie zu feiern. 

Ich für meinen Teil versuche mal, die Entspannung ins neue Jahr hinüberzuretten...

Samstag, 26. Dezember 2015

Fallada, Tucholsky & Co.: In unsern Träumen weihnachtet es schon



Weihnachten mit Fallada, Tucholsky & Co.

Dem Glanz der Weihnacht haben die großen Schriftsteller ihre schönsten Geschichten und Gedichte gewidmet: Sie erzählen vom süßen Duft und stillen Glück dieser Zeit, von richtigen und falschen Geschenken, den Sorgen und Streitereien zum Fest, das immer dann, wenn alles schiefzugehen scheint, seine Magie erst richtig entfaltet. Mal märchenhaft und melancholisch, mal heiter und humoristisch – eine zauberhafte Lektüre für die ganze Familie.


Mit Texten von Goethe, Heine, Morgenstern, Rilke, Ringelnatz, Storm, Fallada, Tucholsky u. v. a.



(Klappentext Aufbau Verlag)


  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 561 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 287 Seiten
  • Verlag: Aufbau Digital; Auflage: 1 (2. Oktober 2012)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B009NXUL3G















KLASSIKERMISCHUNG RUND UM DAS THEMA 'WEIHNACHTEN'...



Eine beeindruckende Sammlung hat der Aufbau Verlag hier zusammengestellt: rund um das Thema Weihnachten findet sich hier Besinnliches und Humorvolles in Gedichtform oder aber in kleinen Geschichten, und für mich war es allein schon erstaunlich, wie viele Texte es hierzu auch von den sog. 'Klassikern' gibt.


Kennst Du das schönste Bäumchen?
Nicht Blätter hat es grün,
Und doch in jedem Räumchen
Siehst du es heute blühn.

Es prangt von Äpfeln, Nüssen
Und goldenen Sternelein,
Selbst bunte Kugeln müssen
Des Bäumchen Zierde sein.

(Weihnachtsfrage an die Kleinsten - Volksdichtung, um 1900)



Der Leser erhält einen tiefgreifenden Einblick in die Ansichten, Bräuche und Gepflogenheiten der Menschen vergangener Jahrhunderte zum Heiligen Fest, doch der Tannenbaum war und bleibt wohl ein zentraler und ununmgänglicher Teil des Brauchtums.


Ich lag und schlief, da träumte mir
Ein wunderschöner Traum:
Es stand auf unserm Tisch vor mir
Ein hoher Weihnachtsbaum.

Und bunte Lichter ohne Zahl,
Die brannten ringsumher,
Die Zweige waren allzumal
Von goldnen Äpfeln schwer.

(Der Traum - Hoffmann von Fallersleben, 1842)



Nur wenige der Texte waren mir bekannt (wie beispielsweise das berühmte Gedicht 'Weihnachten' von Joseph von Eichendorff: 'Markt und Straßen stehn verlassen, still erleuchtet jedes Haus...'), aber ich fand es ungemein interessant, auf diese Art in vergangene Zeiten einzutauchen. Dass das Geschriebene auch oftmals einen engen Zeitbezug hatte, zeigen z.B. folgende Zeilen:


Es wünschen sich:

Reichskanzler Ebert: Eine Schlummerrolle: 'Nur ein Viertelstündchen'

(...)

Liebknecht: Ein neues rotes Fähnchen für Rosa.

(...)

Die Sowjet-Regierung: Daß die russische Jugend wachsen, blühen und gedeihen möge. Es fehlt uns nämlich bereits an Leuten, die man aufhängen kann.

Der Friedensengel: Einen Platz am Weihnachtsbaum, um endlich auf einen grünen Zweig zu kommen.

(...)

(Wunschzettel für Weihnachten - Kurt Tucholsky, 1918)



Manche der Geschichten hatten für meinen Geschmack zu wenig Handlung, sondern eher einen beschreibenden Charakter. Dies schuf zwar ein anschauliches Bild des Weihnachtsfestes vergangener Zeiten, mutete jedoch zuweilen etwas langatmig an. Anderes jedoch war interessant und unterhaltsam, und die Mischung insgesamt hat mir sehr gefallen.

Ein Buch, das einen gut durch die Adventszeit begleitet und nebenher historische Einblicke in vergangene Jahrhundert gewährt.



© Parden

Sonntag, 20. Dezember 2015

Gmeyner, Anna: Manja. Ein Roman um fünf Kinder




Poetisch und berührend erzählt Anna Gmeyner die Geschichte von fünf Kindern, die in derselben Nacht im Frühjahr 1920 gezeugt werden, aber in ganz unterschiedlichen Milieus aufwachsen. Eigentlich trennen sie Welten, und dennoch sind sie Freunde geworden, verbunden durch eine innige Zuneigung zu Manja – dem Mädchen aus armen ostjüdischen Verhältnissen. Für diese Freundschaft müssen sie immer wieder kämpfen: zu Hause, in der Schule und in ihrer Freizeit. Doch letztlich bleiben sie Gefangene ihrer Zeit, an der Manja zerbricht und mit ihr die Hoffnung auf eine menschenwürdige Zukunft.


(Klappentext Aufbau Verlag)



  • Gebundene Ausgabe: 544 Seiten
  • Verlag: Aufbau Verlag; Auflage: 1 (6. Oktober 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3351034156
  • ISBN-13: 978-3351034153

















EINDRINGLICH UND POETISCH - EIN BUCH, DAS UNTER DIE HAUT GEHT....


Dieses Buch gehört zu denjenigen, bei denen mir das Verfassen einer Rezension nicht leicht fällt. Zu groß der Eindruck, den das Geschriebene hinterlassen hat, zu gewaltig das Werk, als dass eine Rezension dem wirklich gerecht werden könnte. Und doch will ich versuchen zu vermitteln, weshalb dies ein Buch ist, das unbedingt entdeckt werden will, sollte, muss.


Von Anfang an schafft Anna Gmeyner hier das Verbindende zwischen den Familien, um deren Kinder es hier geht - die Nacht der Zeugung ist es, mit der dieser Roman beginnt. Und schon hier wird deutlich, wes Geistes Kind die verschiedenen Eltern sind und ob die Kinder zukünftig in einem liebevollen oder aber in einem strengen und angstbesetzten Zuhause aufwachsen werden. Von einem Liebesakt bis hin zur Vergewaltigung reicht das Spektrum der Zeugung - und hier ahnt noch niemand, wie eng das Leben der dabei entstandenen Kinder einmal miteinander verknüpft sein wird.

1920 ist das Jahr, in dem die Kinder gezeugt werden - und so wachsen sie aus der Weimarer Republik nach Kriegsende langsam in den Nationalsozialismus hinein, wobei der Leser die Möglichkeit erhält, sie vierzehn Jahre lang auf diesem Weg zu begleiten.


"Nach dem Krieg, verstehst du, als wir wiederkamen, da habe ich geglaubt, was man da erlebt hat, was keiner überlebt hat, das wird nie wiederkommen, das war das letzte Mal (...) eine Zeit sah es aus, als ob das Land anders geworden wäre, weiter, menschlicher. Stimmt nicht. (...) Und jetzt, langsam, von allem Seiten schleicht sich´s wieder ein..."


Vier Jungen und ein Mädchen - und eine große, tiefe Freundschaft, trotz aller Unterschiede, das ist es, was die fünf Kinder auszeichnet. Anna Gmeyner gelingt es hier gekonnt, gleichzeitig das Trennende und das Verbindende der Einzelschicksale zu präsentieren und dabei einen Einblick in einen Querschnitt der gesellschaftlichen Schichten zu gewähren.

Heini Heidemann ist der Sohn einer bildungsbürgerlichen, humanistisch gesinnten Arztfamilie und wächst liebevoll und ohne Vorurteile auf. Karli Müller ist das Kind einer Arbeiterfamilie, der Vater aktiver Kommunist und frühzeitig inhaftiert, die Mutter hält die Familie mit viel Energie und Arbeitsamkeit zusammen. Harry ist der Sohn des jüdischen Großindustriellen Hartung und wächst in wohlhabenden Verhältnissen auf, jedoch einsam und ohne die Liebe seiner Eltern. Franz Meißner wächst in einer kleinbürgerlichen Familie auf, in der alle unter dem patriarchalischen und gewaltbereiten Vater leiden, der frühzeitig auf den Zug des Nationalsozialismus aufspringt und so einen sozialen Aufstieg erfährt, der sonst nicht möglich gewesen wäre. Manja schließlich ist das Kind einer ostjüdischen Mutter, alleinerziehend, mittellos und lebensuntüchtig, jedes Kind von einem anderen Vater. Früh muss Manja Verantwortung übernehmen für den Haushalt und ihre Geschwister, und doch ist sie es, die in aller Leben einen Sonnenstrahl zaubert.


"Wenn man nicht ein bisschen Distanz zu den Dingen hätte, könnte man es manchmal wirklich nicht aushalten. Ich sitze jeden freien Augenblick bei den Büchern. Telefon und Radio abgestellt. Das ist meine Insel."


Was hier an den geschilderten Familien klischeemäßig und konstruiert wirken könnte - verstärkt noch durch die scharfzüngige und bösartige Hausverwalterin, den verarmten Adligen, den schmierigen und dummdreisten Hitlerjungen - löst Anna Gmeyner geschickt auf, indem sie allen Personen ein wahres Gesicht gibt, eine Persönlichkeit mit Stärken und Schwächen, individuelle Nuancen, die sie dem Leser greifbar machen.

Zunehmend verweben sich die Schicksale der Kinder und mit ihnen auch die ihrer Familien. Zunächst unbeeindruckt von dem Geschehen um sie herum, leben die Fünf ihre Freundschaft, schaffen sich ihre Insel, Manja mit ihrem hellen Gemüt und immer das Gute annehmend als Lichtgestalt unter ihnen. Sie lehrt die Jungen mit ihren Augen zu sehen und pflanzt eine tiefe Sehnsucht in ihnen. Doch die gesellschaftlichen Veränderungen hinterlassen allmählich ihre Spuren, graben Gräben, die immer schwieriger zu überwinden sind, die Lawine reißt alle mit und trotz aller Widerstände lässt sich die sich anbahnende Katastrophe nicht aufhalten...


"Einen Augenblick lang hatte die Kassiopeia deutlich mit ihren fünf strahlenden Endsternen über dem Kirchturm gestanden. Nun verschwand sie sehr schnell unter schwarzen, treibenden Wolken."


Anna Gmeyner schafft hier sehr eindringliche Bilder, die sie auf eine unglaublich poetische Art und mit einer beeindruckenden Genauigkeit schildert. Oftmals saß ich da mit einem Kopfschütteln, weil das Gelesene derart zart und und gleichzeitig kraftvoll wirkte, so wunderschön konstruiert, dass es mich berührte allein schon durch die Art des Schreibens. Viele Sätze habe ich mehrfach gelesen, einfach um sie wiederholt auf mich wirken zu lassen. Auch die Symbolträchtigkeit der Sprache hat mich beeindrucken und bezaubern können.


„Ich weiß, was du meinst Manja“, rief er lebhaft. „Bei uns in der Schule, vor langer Zeit, war einmal ein Käfer im auf dem Rücken. Ich habe ihn umgedreht, damit er kriechen kann, und da waren Jungs, die haben ihn immer wieder auf den Rücken gelegt, damit er zappelt. Das waren die anderen."  ---  „Es gibt viele andere“, sagt sie still.  ---  „Ja, nicht? Auf einmal schrecklich viele“, gab er zu.  ---  „Aber Manja, wenn wir feig sind und alle Menschen wie wir, dann müssen alle Käfer auf der Welt auf dem Rücken liegen.“  ---  Manja schweigt und drückt seine Hand. „Einen Käfer hast du umgedreht“, sagt sie, „er krabbelt wieder.“



1984 erschien das Buch erstmals in Deutschland. 1938 jedoch wurde es bereits vom Querido-Verlag in Amsterdam veröffentlicht. Anna Gmeyner schrieb diesen Roman, der es schafft, das schleichende Grauen und das allmähliche und unaufhaltsame Erstarken des Nationalsozialismus so (be-)greifbar werden zu lassen wie kaum etwas anderes, das ich bislang gelesen habe, im Exil in Paris. Der Zeitpunkt des Entstehens dieses Zeitzeugnisses zeigt, dass es sie gab, diejenigen, die das Unheil vorausgeahnt haben, das erst in den Jahren darauf zur vollen Größe wuchs.


"Jeder Augenblick wächst wie eine Pflanze aus dem dunklen Boden des Gewesenen, das ihn unsichtbar und ungreifbar gestaltet und bestimmt, wächst mit verborgenen und verzweigten Wurzeln in der Erde des Vergangenen. Jedes Wort, jede Tat, jeder Schmerz geht einen langen Weg durch dunkle Schächte, bis er deutlich geformt und sichtbar vor uns steht. Was die Kinder nur erlitten und nicht verstanden, führte weiter zurück als ihr Erinnern, reichte in die Zeit, bevor sie waren und ehe ihr Leben begann. Und auch das war nicht der Anfang."



Eindringlich und poetisch - ein Buch, das unter die Haut geht. Eine Erzählung, die berührt, durch den Schreibstil sowie durch das eigentiche Geschehen. Nichts, das man einfach so runterliest, sondern etwas, das man miterlebt, mitträgt. Zuweilen unerträglich, so dass man versucht ist zu rufen: 'Bitte nicht!' - und doch in dem Wissen, dass diese geschilderten Schicksale und die Geschichte einer Freundschaft, die von gesellschaftlichen Zwängen zerfleischt zu werden droht, nur für unzählige wahre Schicksale stehen.

Überaus beeindruckend und für mich eine wahre Entdeckung, die ich noch vielen weiteren Lesern wünsche...

© Parden

















Der Aufbau Verlag schreibt über die Autorin:

Anna Gmeyner, 1902 in Wien geboren, zählte zur literarischen Avantgarde der zwanziger Jahre. Ab 1932 arbeitete sie in Paris, wo sie Drehbücher u. a. für G. W. Pabst schrieb. Nach ihrer Heirat emigrierte sie nach England. Dort entstand der Roman Manja, der 1938 bei Querido in Amsterdam herausgegeben wurde. Gmeyner starb 1991 in York.

übernommen vom Aufbau Verlag

Samstag, 19. Dezember 2015

Weihnachtsdekoration (von Anne Parden)

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Lange schon gab es keine Kindergeschichte mehr von mir - wie schön, dass sich gerade zur Weihnachtszeit passend wieder etwas ereignete, was sich festzuhalten lohnt. Berufsbedingt habe ich viel mit kleinen Kindern im Vorschulbereich zu tun, und da ergeben sich immer mal wieder kleine Anekdoten...

* * *

Erstaunlicherweise sind es bei uns häufig gerade die Kinder mit Migrationshintergrund, die unglaublich auf den ganzen Weihnachtszauber stehen - je mehr Glitzer desto besser. Ein kleiner türkischer Junge war daher ganz begeistert, als er zunächst einen großen goldenen Stern ausschneiden und diesen dann auch noch mit Stickern bekleben durfte, die glitzernde Weihnachtsmotive zeigten. 

Dabei demonstrierte der Kleine stolz, dass er die meisten der Motive tatsächlich kannte, indem er sie benannte: 'Tannenbaum', 'Nikolaus' und 'Schneeflocke' kamen ihm auch recht sicher über die Lippen, nur beim Rentier stockte er kurz, bevor er fragend meinte: 'Reh?'. Er registrierte dabei mein zweifelndes Gesicht und korrigierte sich rasch und freudestrahlend: 'Ein Nikolausreh!'

© Parden


Freitag, 18. Dezember 2015

KaratekaDD erzählt....

Ihr erinnert euch vielleicht? Vor langer Zeit gab es eine Geschichte, in der KaratekaDD in Tokio ein Schwert kaufen wollte. Diese kann man hier im Blog natürlich nachlesen.
Nun hat er ein Schwert. Nicht, dass KaratekaDD wieder in Tokio gewesen wäre. Er hat auch keine Geld dafür ausgegeben. Aber er hat ein paar Bücher aufgespießt. Die von Frank Goldammer zum Beispiel. Auch hat er sich kein Pseudoschwert aus einem Waffenramschladen zugelegt. Nein, nein: Er bekam eines geschenkt. Das Katana befand sich in einem Paket der Größe 35 x 25 x 21 cm. Zusammen mit Keksen einem Hörbuch, noch einem anderen Buch und Früchtetee. Der Absender glaubte wohl, KaratekaDD trinkt auch nach abgeklungener Erkältung weiter heißen Tee...


Die Bücherraupe hat gleich mal Musashis Fünf Ringe hervor gekramt und der Affe weiß nicht so richtig, was er dazu sagen soll. Das Lesezeichen weist auf den Absender des Bücherschwertes hin. Und mehr wird nicht verraten.

* * *

Es könnte sein, dass es am Ende des Dezembers ein wenig mau im Blog aussieht. Wenige Posts im Weihnachtsgeschäft. Die Last liegt augenscheinlich auf einer einzigen Person. Selbst werde ich bis Neujahr kaum dazu kommen, etwas Neues zu verfassen, denn ich treibe mich in Bayern rum. Nicht privat. Bin schon gespannt...

Anne, du machst das schon.

© KaratekaDD

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Haucke, Ursula: Papa - Charly hat gesagt... (Band 4)



  • Taschenbuch
  • Verlag: Rowohlt Vlg., (1981)
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B0089HSEIQ












WAS FÜR EINE WIEDERENTDECKUNG...


Sohn: Peter Heeckt | Vater: Gert Haucke
In der damaligen Hörspielreihe ging es um Rededuelle zwischen Vater und Sohn, in denen der Vater mit allen möglichen und unmöglichen zeitgemäßen Fragen (zu Themen wie z. B. Homosexualität, Popmusik, Pille, Ausländerfeindlichkeit u. v. a.) konfrontiert wurde und der Sohn diese Duelle letztendlich immer für sich entschied. Die Dialoge begannen meistens mit dem Satz "Papa, Charly hat gesagt, sein Vater hat gesagt…"

Etliche Staffeln (die meisten Folgen geschrieben von Ursual Haucke) gab es von diesem Konzept, und in den 80er Jahren lief beinahe täglich eine Folge im Radio. Da war es bei uns ganz still in der Küche, und alles lauschte gebannt dem neusten Rededuell. Vater und Sohn fehlte es nie an Gesprächsthemen. Gerd Haucke stand seinerzeit (bis auf die letzte Staffel) für die Rolle des Vaters, der Sohn wurde von häufiger wechselnden Jungen gesprochen.

In diesem Buch, das ich in der Hinterlassenschaft meiner Eltern entdeckt habe, sind nun einige der Rededuelle abgedruckt - manches vielleicht nicht mehr ganz so zeitgemäß, anderes jedoch zeitlos aktuell. Papa hat es nicht gerne, wenn man an den Stützpfeilern seiner Wertmaßstäbe herumsägt, Charlys Vater weiß gar nicht, wo er zuerst anfangen soll mit seinen zornigen Verbesserungsvorschlägen, und beider Söhne sind wach, wissbegierig und pfiffig für ihre zehn oder elf Jahre. Hier mal ein Beispiel:


Sohn: Papa, Charly hat gesagt, sein Vater hat gesagt, die werden sich noch so vollfressen mit ihrer Diät, dass sie platzen!!

(...)

Vater: Du meinst die Leute, die von morgens bis abends Riesensteaks essen und die nachher für jedes abgenommene Pfund einen Hunderter bezahlt haben? Das finde ich auch lächerlich. Sollen sie trocken Brot essen, dann...

Sohn: Nee, die mein ich doch nicht. Die ich meine, die wollen nicht dünner werden, die wollen bloß immer mehr Geld haben! Stand in der Zeitung, sagt Charlys Vater.

Vater: Da hast du irgendwas durcheinandergebracht...

Sohn: Gar nicht. Die haben ja sogar ein Gesetz gemacht, dass sie immer mehr Geld kriegen. Und das kriegen sie sogar rückwärts!

Vater: Rückwärts??

Sohn: Ja doch, noch hitnerhergeschmissen. Für die Monate, die schon längst vorbei sind!

Vater: Also, um eine 'rückwirkende' Zahlung geht es. Und für wen und wofür?

Sohn: Für die Politiker, und für ihre Diät! Verstehst du immer noch nicht?

Vater: O doch, langsam schwant mir, worum es geht! [Ärgerlich]: Das kommt davon, wenn man mit der deutschen Sprache so schludrig umgeht! Es handelt sich hier offensichtlich nicht um Diät, sondern um D i ä t e n. Das ist ein himmelweiter Unterschied.

Sohn: Das ist es ja gerade, dass die das auch noch 'Diät' nennen, wenn sie dem Volk die Haare vom Kopf wegfressen - sagt Charlys Vater!



Wäre ein solches Sendeformat heute noch denkbar? Vermutlich nicht. Zu unkritisch die Zeiten - so will es mir scheinen. Ein wenig wehmütig war daher das Erlebnis der Wiederentdeckung von meiner Seite. Vor gar nicht allzu langer Zeit gab es noch viele wie Charlys Vater. Wo sie wohl geblieben sind?


© Parden














Dienstag, 15. Dezember 2015

Spindler, Erica: Zu richten die Lebenden




Er wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.


An einem einzigen Tag verliert die Künstlerin Mira Gallier alles: Hurrikan Katrina entreißt ihr den Mann, und ihre gläsernen Kunstwerke werden in tausend Scherben zerschlagen. Kaum hat sie sich davon erholt, da öffnen sich die Tore zu Miras persönlicher Hölle erneut: Ein Priester wird ermordet, die Kirchenfenster aus ihrer Werkstatt sind mit düsteren Worten beschmiert: "Er wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten." Es ist der Auftakt zu einer blutigen Mordserie in New Orleans, bei der die Spuren in Miras Richtung weisen. So eindeutig, dass der ermittelnde Detective Spencer Malone sie für die Täterin hält?

(Klappentext 'Blogg dein Buch')



  • Broschiert: 432 Seiten
  • Verlag: HarperCollins; Auflage: 1., Aufl. (9. Oktober 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Katrin Hahn
  • ISBN-10: 3959670052
  • ISBN-13: 978-3959670050
  • Originaltitel: Watch Me Die
















Hiermit danke ich 'Blogg dein Buch' sowie dem Harper Collins Verlag für die Möglichkeit, dieses Buch lesen zu dürfen!















 VERWIRRSPIELE...


New Orleans ist der Schauplatz der Geschichte, und es ist schon einige Jahre her, dass der Hurrikan Katrina dort gewütet hat. Die Folgen jedoch sind bis heute spürbar in der Stadt, und so manchen hat es dabei hart getroffen. Auch Mira Gallier, obwohl selbständig und erfolgreich in ihrem Beruf als Glaskünstlerin, leidet gegenwärtig noch unter den Geschehnissen, hat es sie doch nicht nur ihre damalige Werkstatt samt der dort gelagerten Kunstwerke gekostet, sondern auch das Leben ihres Mannes.

Die Auftragslage für Miras Werkstatt allerdings ist grandios durch die Folgen des Hurrikans. So viele Kirchenfenster sind dabei zu Bruch gegangen, dass Mira kaum hinterherkommt mit deren Restaurierung. Die Hilfe ihrer Assistentin Deni sowie von deren Freund Chris kann sie daher gut gebrauchen. Doch da erscheint plötzlich die Polizei bei ihr: gerade wieder von ihr eingesetzte Kirchenfenster wurden grob mit einem Bibelzitat beschmiert: "Er wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten". Und der Pfarrer der Kirche liegt ermordet vor dem Altar.

Bei diesem einen Mord bleibt es jedoch nicht, und schnell wird klar, dass alle Opfer auf irgendeine Weise einen Bezug zu Mira hatten. Eine eindeutige Spurenlage für Detective Spencer Malone und seine neue Partnerin Karin Bayle. Mira rückt in den Mittelpunkt der Ermittlungen... Dabei tut sich Detective Spencer Malone recht schwer mit seiner neuen Partnerin, obwohl er wirklich versucht, gut mit ihr zusammenzuarbeiten. Doch irgendwie will sich kein rechtes Vertrauen zwischen den beiden einstellen.


"Bayle hatte die Sozialkompetenz eines Pittbulls, befand Malone, und schaltete sich ein..."



Viel Zeit hat Malone allerdings nicht, über die merkwürdigen Spannungen zwischen sich und Bayle nachzudenken, denn die Ereignisse beginnen sich zu überschlagen. Eindeutig treibt hier ein Serienmörder sein Unwesen, und ein wie auch immer gelagertes religiöses Motiv scheint den Morden zugrunde zu liegen.

Erica Spindler schafft hier ein grandioses Verwirrspiel mit ständig wechselnden Verdächtigen. Nach einem eher bedächtigen Einstieg nimmt der Thriller bei flüssigem und eingängigem Schreibstil an Fahrt auf und hält nicht nur die Polizei hübsch in Atem. Ein Mix voller Emotionen, Verwirrungen, Zweifel und zunehmender Spannung treibt den Leser zunehmend rasch durch die Seiten. Wie Mira kommt der Leser dazu, niemandem mehr zu vertrauen, denn nichts und niemand scheint zu sein, was man glaubte, das es sei. Unerwartete Ereignisse schleudern den Verdacht immer wieder in eine andere Richtung, und tatsächlich war ich mir bis kurz vor dem Ende nicht sicher, wer der Täter nun war.

Kleine logische Fehler in der Polizeiarbeit sowie die Tatsache, dass mir keine der Personen wirklich sympathisch war, sind kleine Mankos, die die Höchstwertung hier verhindern. Die wechselnden Perspektiven meist zwischen Mira einerseits und der Polizei andererseits haben mir dagegen gut gefallen, und auch die vereinzelt eingestreuten Kapitel aus der Sicht des (noch unbekannten) Täters haben ihre Wirkung nicht verfehlt.

Insgesamt ein Thriller, der mich gut unterhalten hat und den ich im letzten Drittel kaum noch aus der Hand legen mochte...


© Parden
















'Blogg dein Buch' schreibt über die Autorin:

Erica Spindler studierte zunächst Kunst. Als erfolgreiche Malerin stellte sie in namhaften Galerien aus. 1982 begann sie mit dem Schreiben, als sie mit einer Erkältung das Bett hüten musste. 1987 veröffentlichte sie ihren ersten Roman. Zunächst tat sie sich als Autorin romantischer Geschichten hervor, wandte sich aber ab 1996 dem Kriminalroman zu. Ihre Bücher erreichen immer wieder die ersten Plätze der New York Times-Bestsellerliste und erscheinen inzwischen in über 20 Ländern. Spindlers Stil wird durch ihre Faszination für Psychologie und Zwischenmenschliches geprägt, die ihre Romane zu einem spannenden und emotionalen Erlebnis für ihre Leser und Leserinnen macht. Auch als präzise Beobachterin und Kommentatorin gesellschaftlicher Entwicklungen fällt Erica Spindler auf. Die 1957 in Illinois geborene Autorin lebt seit 1980 im Raum New Orleans. An der dortigen Universität schloss sie ihr Kunststudium ab. Heute wohnt sie mit ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen Söhnen im ländlichen Louisiana nahe der Metropole.

übernommen von 'Blogg dein Buch'