Samstag, 31. Dezember 2016

Holland-Moritz, Patricia: Kältetod



Kriminalromane bieten doch immer wieder Überraschungen. Ganz besonders auch dieser der Patricia Holland-Moritz. Ich werde sicherlich nicht verraten wieso, aber die Art, wie diese Autorin mit letztlich nur einem Satz am Ende die Leserin, den Leser dazu zwingt, an die "zwingende" Fortsetzung zu denken, das hat durchaus Format.

Worum geht´s?

Der Kulturstaatssekretär von Berlin ist tot. Man findet ihn an einem Plastikstrick baumelnd mit nassen Socken über einer Pfütze und einem Stuhl in seiner noblen Behausung. Es ermittelt Hauptkommissar Tschirner. Der hat eine Praktikantin in seiner Abteilung des LKA (Berlin lässt Morde durch das LKA ermitteln), die ist schon komisch und schlau. Außerdem erinnert sie an eine gewisse Lisbeth, welche ein Stieg Larsson zu seinen Lebzeiten erfand. Ein Computergenie… *

Tschirner hat neben Ehefrau und zwei Töchtern auch eine Freundin. Die ist reich und der Reichtum ist ihr Trauma und dieses Trauma bekämpft sie inkognito in Frankreich. Rebecca Schomberg wohnt oft in einem Hotel, dort hat sie einen schwulen Freund und der ist auch noch plötzlich verschwunden. 

Ansonsten lernen wir viel über „Tina“ und „Ice“ – kurz über Chrystal Meth, nebst einer Bedienungsanleitung, wie man die Folgen des Dauerkonsums klein halten kann. Dazu aber muss man das Buch bis zum Ende lesen. Überhaupt ist das Thema der Modedroge im Roman allgegenwärtig und eine Botschaft der Autorin ist die sehr eindringliche Warnung vor der Verbreitung und Verwendung dieser Substanz. 

Der Reichtum der Rebecca, ihre Mission nach Frankreich, die sie nicht glücklich werden lassen wird, und der Mord am Kulturstaatssekretär der Hauptstadt mit CM im Blut könnten den Stoff für zwei Romane bilden. Das Verweben beider Handlungen, die zwar eine Verknüpfung aufweisen aber sonst nichts miteinander zutun haben, verdichten den Roman auf eine Art und Weise, die die Spannung sehr stark hebt. Patricia Holland-Moritz hat es geschafft, die Lösung des Falles, eigentlich letztlich ja der Fälle, bis zum Schluss hinauszuschieben. 


Die Lesung auf der Dresdner Buchmesse Schriftgut** machte schon mal Lust auf das Buch, wobei diese Verwicklungen und einzelnen Stränge nicht erkennbar waren.  

Einzig seltsam war, dass das LKA bzw. die Mordkommission Praktikanten einen derartigen Einblick in aktuelle Ermittlungen gibt und diese daran beteiligt. Mein lieber Herr Tschirner, anderswo wäre das ein fettes Dienstvergehen. ;)

* * *

Patricia Holland Moritz, das ist schon eine Laufbahn, die sicherlich Platz für Geschichten enthält. Buchhändlerin, Speditionskauffrau, Amerikanistik studiert, Tourneeveranstalterin und BLOGGERIN. Da hat sie ganz passable Ansichten, zum Beispiel diese hier.
Ansonsten liebt sie John Irving, Woddy Allen, John Conolly, Patricia Highsmith und, da haben wir dann was gemeinsam (so als Blogger), Ephraim Kishon (stöbern hier). Auch ich fragte sie zu ihrer Verwandtschaft mit Renate Holland Moritz, aber die geneigte Leserin, der geneigte Leser soll in diesem Fall dann doch hier nachlesen. Ach so, sie bloggt als „Geist des Kasimir“.


 


Nachdem ich nun ein kleines Weilchen durch den Blog gezogen bin, komme ich um DIE EINSAMKEIT DES CHAMÄLEONS nicht drum rum. Das Chamäleon ist besagte Rebecca Schomberg, der Roman erzählt dann auch die Geschichte ihres Reichtums. Im Video erzählt Holland Moritz von diesem Charakter und auch vom "Tatort" Berlin.

Was wird erst ein weiterer Teil ergeben, denn wie es aussieht, ist die Lösung des Falles in Frankreich ziemlich unglücklich verlaufen, ich nehme an, dass Rebecca der Hilfe ihres polizeilichen Freundes dringend bedürfen wird.



* * *

Wenn man die Rezension beginnt, bevor man das Buch zu Ende gelesen hat, dann kommt es vor, dass man sich korrigieren muss. Oben genannte Praktikantin ist nur scheinbar der gewissen Lisbeth ähnlich.

**  
Buchmessen sind vor allem auch deshalb eine feine Sache, weil man mit diesem oder jenem Autoren, dieser oder jener Autorin "analog" ins Gespräch kommt. Das hat Patricia Holland Moritz auch in mein Exemplar geschrieben: "analoges Treffen". Eben nicht nur per Mail oder Blog.

DNB / Gmeiner - Verlag /  Meßkirch 2015 / ISBN: 978-3-8392-1768-9 / 309 S.

© KaratekaDD


Freitag, 30. Dezember 2016

Jonasson, Jonas: Mörder Anders...

... und seine Freunde
nebst dem einen oder anderen Feind.



Also mal wieder Jonas Jonasson. Nach dem „Hundertjährigen…“ und der „Analphabetin…“ nun MÖRDER ANDERS. Wiedereinmal zeigt der Autor seine Vorliebe für ellenlange Titel.

Gelesen von Jürgen von der Lippe und ich gebe zu, dies war der Ausgangspunkt der Entscheidung, die mal wieder am Hörbuchregal einer Tanke getroffen wurde. Nun, an solchem Ort habe ich bereits mehrmals dieses oder jenes Werk zum Hören erworben, den Versuch war es wert.

Wer kennt Jürgen von der Lippe nicht? Von seinen Auftritten her weiß man, dass er seine Stimme witzig und geschickt modulierend hervorragend den handelnden Personen seiner Witze und Sketsche anpassen kann. Wenn dann also ein etwas einfach gestrickter Zufallsverbrecher namens Johannes Anderson, genannt Mörder Anders mit dem Rezeptionisten Per Persson und der an nichts glaubenden Pfarrerin Johanna Kjellander nach Entlassung aus dem Knast zusammentrifft und dieses Trio sich dann auf typisch Jonasson´sche Art eine Reihe Feinde macht, dann ist von der Lippe durchaus der richtige Sprecher für diese Art von literarischer Komödie.

Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind – Das ist der überlange Titel des Buches in dem die drei genannten zuerst einmal eine Körperverletzungsagentur gründen und einen Haufen Auftraggeber prellen und dies, nach Hinwendung von Mörder Anders zu Gott mit der Gründung einer Kirche wiederholen. Diese Kirchengründung war verblüffend einfach, weil die Pfarrerin die Genehmigung persönlich und nicht online einholte. Diesmal werden nicht Leute aus der Unterwelt geprellt sondern Gläubige, während der eine oder andere Feind dem Trio nach dem Leben trachten…

Das Buch besteht aus drei Teilen und so gesellt sich natürlich noch eine dritte Unternehmung dazu.
An sich eine witzige Idee im gewohnt amüsanten Schreibstil des Schweden, aber es ist, also ob sich diese Art einer Erzählung in der Wiederholung abschleift.  Doch während die beiden oben erwähnten Romane unter anderem dadurch wirkten, dass „große“ Politik und „große“ Leute eingebunden wurden, finden wir uns diesmal eben „nur“ in Schweden wieder. Vielleicht ist es dieser Umstand, der mich eher minder begeistert zurückließ. Klar gab es witzige Stellen, die mich laut auflachen ließen, aber insgesamt...

Es stimmt schon, was da auf dem Cover steht:  „Jürgen von der Lippe liest diese Geschichte über die Gier nach immer neuen Geschäftsideen, die religiöse Heuchelei und die menschliche Dummheit – augenzwinkernd und mit rabenschwarzem Humor.“

Trotzdem: Es war spaßig, aber vom Hocher gerissen hat mich Jonasson diesmal nicht. An der gekürzten Lesung (Wieso sind die immer gekürzt?) lag es aber wahrscheinlich nicht.

DNB / Randomhaus - Hörverlag / München 2016 / ISBN: 978-3-8445-2131-3 

PS: Wiedereinmal wurde dieses Werk hier im Blog zweimal besprochen. 
PPS: Soeben lese ich, dass da DER 101-JÄHRIGE, DER DIE RECHNUNG NICHT BEZAHLTE UND VERSCHWAND als CD-Hörspiel erscheinen soll. Nun ja...

© KaratekaDD




Donnerstag, 29. Dezember 2016

Winkler, Philipp: Hool



Jeder Mensch hat zwei Familien. Die, in die er hineingeboren wird, und die, für die er sich entscheidet. HOOL ist die Geschichte von Heiko Kolbe und seinen Blutsbrüdern, den Hooligans. Philipp Winkler erzählt vom großen Herzen eines harten Jungen, von einem, der sich durchboxt, um das zu schützen, was ihm heilig ist: Seine Jungs, die besten Jahre, ihr Vermächtnis. Winkler hat einen Sound, der unter die Haut geht. Mit HOOL stellt er sich in eine große Literaturtradition: Denen eine Sprache zu geben, die keine haben.

(Klappentext: Aufbau Verlag)

  • Gebundene Ausgabe: 310 Seiten
  • Verlag: Aufbau Verlag; Auflage: 3 (19. September 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3351036450
  • ISBN-13: 978-3351036454










SPRACHLOSIGKEIT UND WUT...




Hier ist drin, was draußen draufsteht: Hooligans. Im Fokus des Geschehens steht der junge Heiko Kolbe, der gerade mal etwas älter als 20 Jahre alt ist und nur einen Lebensinhalt zu kennen scheint: die Hooligan-Szene um Hannover 96. Vor allem gemeinsam mit Heikos langjährigen Freunden Kai, Ulf und Jojo scheint jeder Gegner bezwingbar zu sein, der Kick aus Wut und Adrenalin durch jede Ader zu rauschen. Dazugehören, die Wut rauslassen - darum geht es Heiko, nicht etwa um einen radikalen politischen Hintergrund (Nazis lehnt er ab) oder gar um Fußball ('Wir sind ja nicht oft im Stadion. Ist einfach nicht mehr der Ort für unsereins.')


"Ich überlegte, was ich sagen könnte. Gottverdammte Scheiße, so was konnte ich noch nie. Kann ich auch heute noch nicht. Meine Gefühle artikulieren, wie Manuela das formuliert. Da fällt mir gar nichts mehr ein, mein Hirn blockiert und anstatt, dass irgendetwas Sinnvolles rumkommt, werde ich nur wütend." (S.72)

Erzählt wird hier aus der Ich-Perspektive Heikos, was den Leser zwingt, sich bei allem Ekel und anfänglichem Unverständnis zunehmend mit der Person des jungen Mannes zu befassen und sich in ihn einzufühlen. Saufen, rauchen, prügeln, in den Tag hineinleben, Verantwortung übernehmen nur hinsichtlich der Gruppe und ihrer Mitglieder. Für Heiko scheint diese Gruppe der Hooligans mit seinem Onkel an der Spitze eine Art Familienersatz zu sein, nachdem er seiner eigenen enttäuscht den Rücken zugekehrt hat. Heikos Mutter ist schon vor Jahren weggelaufen, sein Vater ist Alkoholiker und hat sich aus einem Thailandurlaub eine neue Partnerin mitgebracht, mit der Heiko kaum je ein Wort gewechselt hat, und Heikos Schwester versucht mit ihrer eigenen Familie die Hoffnung zu verwirklichen, dass dort alles besser klappen möge und versucht zeitweise etwas missionarisch, die Verhältnisse in der Ursprungsfamilie gerade zu bügeln.

Heiko ist längst ausgezogen, und nachdem das Verhältnis zu seiner Freundin in die Brüche ging, ist er zu einem Bekannten auf einen abgelegenen und verwahrlosten Hof gezogen, wo illegale Tierkämpfe an der Tagesordnung sind - und nicht nur Hunde gehören dazu. Brutal die Schilderungen der Zustände, vulgär oft die Sprache, jedoch nicht immer. Wiederkehrende Perspektivwechsel von der Gegenwart in die Vergangenheit zerren Heikos Geschichte ans Licht, und ebenso skizzenhaft die seiner Freunde. So gewinnt jede Figur zunehmend an Kontur, der Leser an Verständnis für die Sprachlosigkeit und Einsamkeit, die das Leben Heikos durchdringen. Und die Sehnsucht danach, anerkannt und gemocht zu werden, dazuzugehören.


"Ich weiß selber nicht so recht, warum ich überhaupt aufgestanden bin und wie ein Getriebener durch die Nacht fahre. Vielleicht weil ich irgendwo landen will, wo ich das Gefühl habe, angekommen zu sein." (S. 270)



Empathie für Heiko entsteht beim Lesen in jedem Fall, manchmal auch Sympathie, Mitleid in jedem Fall. Und Philipp Winkler schafft in meinen Augen in seinem literarischen Debüt ein authentisches Bild, auch wenn er selbst, wie er in einem Interview betont, nie zur Hooliganszene gehörte oder auch nur jemanden daraus kennt. Es mag sein, dass sich hier fleißig aus der Klischeekiste bedient wurde - denn genauso stellt man sich als Unbeteiligter die Welt eines Hooligan vor - doch geht Winkler darüber hinaus. Er zeigt, wie es ist, wenn der vermeintliche Halt in sich zusammenbricht. Denn genau dies geschieht Heiko. Ein Freund nach dem anderen verabschiedet sich aus der Hooliganszene, und auch sonst bröckelt die Welt, in die er sich geflüchtet hat, immer mehr. Mit zunehmender Wut versucht sich Heiko an den Scherben festzuhalten, und die spannende Frage ist, wohin sein Weg ihn letztlich führt.

Raffiniert ist dabei die Wahl der Ich-Perspektive, durch die der Leser Heiko zunehmend näher kommt und mit ihm fühlt. Dadurch kommt es allerdings irgendwie auch zu einer Verharmlosung der Brutalität, der Ekelexzesse, der unbeherrschten Wut, auch der Tierquälerei. Denn wenn der Ursprung der Wut verständlich wird, die Hauptfigur zunehmend auch sympathisch erscheint, wirken die negativen Aspekte nur noch halb so schlimm. Ein Spagat, den ich nicht wirklich gerne vollzogen habe.

Abgesehen von der Gewalt und der Gefühllosigkeit ist es die Einsamkeit und die Sprachlosigkeit bezüglich der wesentlichen Dinge im Leben, die mir hier beim Lesen wirklich zugesetzt haben. Tatsächlich konnte ich immer nur einige Seiten am Stück lesen und war dann froh, das Buch wieder weglegen zu können. Anfangs war ich sehr offen der Thematik gegenüber, letztlich bin ich eher froh, dass das Buch endlich ein Ende hat.

Insgesamt ein außergewöhnliches Buch mit einer nichtalltäglichen Thematik, die hier sprachlich gut umgesetzt wurde. Die Virtuosität des Autors, der manchmal nur ein Wort benötigt, um eine Situation kippen zu lassen und dem es gelingt, selbst skizzenartig aussagekräftige Bilder zu schaffen, ist bemerkenswert. Auch wenn ich hier in meiner Wertung ambivalent bin, ist es für mich nachvollziehbar, weshalb dieses Buch auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2016 gelandet ist...


© Parden












Der Aufbau Verlag schreibt über den Autor:

Philipp Winkler, 1986 geboren, aufgewachsen in Hagenburg bei Hannover. Studierte Literarisches Schreiben in Hildesheim. Lebt in Leipzig. Auslandsaufenthalte im Kosovo, in Albanien, Serbien und Japan. Neben Veröffentlichungen in Literaturmagazinen und -anthologien, erhielt er 2008 den Joseph-Heinrich-Colbin-Preis und 2015 für Auszüge aus Hool den Retzhof-Preis für junge Literatur des Literaturhauses Graz. „HOOL“ ist sein Debütroman.
übernommen vom Aufbau Verlag

Mittwoch, 28. Dezember 2016

Gruber, Andreas: Todesurteil


In Wien verschwindet die zehnjährige Clara. Ein Jahr später taucht sie völlig verstört am nahen Waldrand wieder auf. Ihr gesamter Rücken ist mit Motiven aus Dantes "Inferno" tätowiert – und sie spricht kein Wort. Indessen nimmt der niederländische Profiler Maarten S. Sneijder an der Akademie des BKA für hochbegabten Nachwuchs mit seinen Studenten ungelöste Mordfälle durch. Seine beste Schülerin Sabine Nemez entdeckt einen Zusammenhang zwischen mehreren Fällen – aber das Werk des raffinierten Killers ist noch lange nicht beendet. Seine Spur führt nach Wien – wo Clara die einzige ist, die den Mörder je zu Gesicht bekommen hat …

(Klappentext: Goldmann Verlag)

  • Taschenbuch: 592 Seiten
  • Verlag: Goldmann Verlag (16. Februar 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3442480256
  • ISBN-13: 978-3442480258
  • Reihe: Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez (Bd. 2)











DANTES INFERNO...


Nachdem ich von Band 1 (Todesfrist) so begeistert war, wollte ich unbedingt rasch wissen, wie es mit den Ermittlern Maarten S. Snijder und seiner jungen Kollegin Sabine Nemetz weitergeht. Der niederländische Pofiler hat Sabine, wie von ihr schon lange gewünscht, an die Akademie des BKA für hochbegabten Nachwuchs in Wiesbaden berufen. Nur fünf Studenten gibt es in dem von Snijder geleiteten Kurs, und der Anspruch ist hoch. Doch da Sabine bereits einen Fall gemeinsam mit Snijder gelöst hat, kennt sie dessen Marotten schon und lässt sich von seinem Gehabe nicht abschrecken. Im Gegenteil: sie liebt die Herausforderung, als Snijder mit seinen Studenten ungelöste Mordfälle durchnimmt.

Parallel zu dem Wiesbadener Teil gibt es einen weiteren Handlungsstrang um die Wiener Staatsanwältin Melanie Dietz, die in einem besonders brutalen Fall von Kindesentführung ermittelt. Nach über einem Jahr in Gefangenschaft ist es der zehnjährigen Clara gelungen, ihrem Entführer zu entkommen - doch ihr Rücken ist vollkommen mit Motiven aus Dantes 'Inferno' tätowiert.  Das Mädchen ist schwer traumatisiert und spricht kein Wort, doch mit Hilfe ihres Therapiehundes hofft die Staatsanwältin, einen Zugang zu Clara zu finden. Denn die Zeit drängt - unmittelbar in der Nähe von Claras Fundort tauchen nach und nach immer mehr Mädchenleichen auf.

Neben dem hohen Pensum des Lernstoffs im Rahmen der Ausbildung lassen Sabine Nemetz die ungelösten Fälle keine Ruhe, die Snijder mit seinen Studenten im Rahmen seines Kurses durchnimmt. Ihr fallen allmählich Zusammenhänge auf, an die jedoch niemand sonst glaubt. Aber Sabine forscht auf eigene Faust weiter, denn sie hat nicht zuletzt auch ein persönliches Interesse daran, die Fälle zu lösen - ihr ehemaliger Freund, ebenfalls beim BKA, war an der Lösung der Fälle beteiligt, bis er niedergeschossen wurde. Wem war er auf die Füße getreten, so dass der Schuss auf ihn die einzige verbleibende Möglichkeit war, ihn an der weiteren Ermittlung zu hindern?

In diesem zweiten Fall um Maarten S. Snijder und Sabine Nemetz nehmen die Figuren der beiden Ermittler allmählich Form an. Snijder, der unangepasste und exzentrische Einzelgänger, der sich mit Hilfe von Hasch tief in die Psyche der Täter einfühlen kann und eine unglaublich hohe Aufklärungsquote aufweist, jedoch bei Kollegen und Vorgesetzten auf wenig Sympathien stößt. Und Sabine Nemetz, die sich als Günstling des Profilers erst einmal unter ihren Mitstudenten beweisen muss, im Zuge der Ermittlungen aber eine ungewohnt gute Intuition beweist und hartnäckig wie ein Terrier ihr Ziel verfolgt. Dabei begeht sie jedoch bei allem Mut teilweise echte Anfängerfehler, und da sie ja schon über ausreichende Erfahrung in der Polizeiarbeit verfügt (zuvor war sie beim Münchner Kriminaldauerdienst), war das für mich bei allem Sinn für die Dramaturgie nicht immer nachvollziehbar.

Lange ist hier nicht ersichtlich, wie der Wiesbadener und der Wiener Handlungsstrang zusammengehören könnten, doch beide Stränge sind auf ihre Art spannend und interessant. Die Schilderung der Vorgänge beim BKA war für mich teilweise etwas langatmig, doch letztlich auch aufschlussreich. Auch wenn hier oft Sabine Nemetz im Mittelpunkt der Handlung steht, geben die Szenen mit dem Exzentriker Maarten S. Snijder dem Ganzen wieder die besondere Würze. Dabei erscheint er mittlerweile trotz seiner teilweise skurril anmutenden Verhaltensweisen etwas menschlicher - und immer noch mag ich diesen Charakter ganz besonders.

Dank des flüssigen Schreibstils, der häufig wechselnden Perspektiven und dem zunehmenden Wunsch, beide Handlungsstränge weiter zu verfolgen, flogen die Seiten wieder rasch vorbei. Noch einige Seiten vor dem Schluss hatte ich keine Idee, wie die Figuren da wieder heile rauskommen sollten - und so muss doch ein Thriller sein! Spannend, mit interessanten Figuren und einem Blick in die menschlichen Abgründe. Weiter so, Herr Gruber!


© Parden













Andreas GruberDer Goldmann Verlag schreibt über den Autor:


Andreas Gruber, 1968 in Wien geboren, lebt als freier Autor mit seiner Familie in Grillenberg in Niederösterreich. Er hat bereits mehrere äußerst erfolgreiche und preisgekrönte Erzählungen und Romane verfasst.

übernommen vom Goldmann Verlag

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