Montag, 26. September 2016

Kuegler, Dietmar: Ich ziehe mit den Adlern


Kit Carson
Ein amerikanischer Held

Wer war Kit Carson? Nie von dem gehört. Oder doch? Vielleicht indirekt? Die in den letzten Jahren intensiver gewordene Beschäftigung mit den nativen Völkern Nordamerikas führte zu Bekanntschaften und Kontakten die mich das Thema nicht mehr aus den Augen werden verlieren lassen.

Dietmar Kügler [1] ist der Leiter des Verlages für Amerikanistik. Den Verlag kannte ich bereits, auch wenn ich das Angebot bisher nicht nutzte. Auf ihn aufmerksam wurde ich durch die Autorin  Brita Rose-Billert, die mir erzählte, dass Herr Kügler auch als Reiseleiter im Mittleren Westen der USA tätig ist und dass er geführte Reisen auch durch die Gegend um die Black Hills, Rapid City, den Badlands und andere „indianische“ Gegenden führt. Aus ich dazu über Facebook einmal nachfragte, bestätigte er mir dies und etwas später wurde ich so auf eine neue Publikation aufmerksam, die soeben erst im genannten Verlag erschienen ist: Ich ziehe mit den Adlern – Kit Carson – ein amerikanischer Held.

Auf meiner Indianerseite finden sich hauptsächlich Rezensionen zu Romanen zum Thema Plainsindianer. Mehrfach aber auch verwies ich auf eine US-amerikanische Miniserie mit dem Namen Into the West, deren Gesamtproduktion unter der Leitung von Steven Spielberg stand. In dieser reist ein junger Mann, der das Abenteuer sucht, ca. 1825 in den Westen und erlebt die Erschließung dessen mit. Der erste Teil der Serie erzählt die Geschichte der Erschließung von Wegen über die Rocky Mountains bis ins damals noch mexikanische Kalifornien.

Im vorliegenden biografischen Heft von Dietmar Kügler erzählt der Autor von einem dieser sogenannten Pioniere des Westens, von Christopher „Kit“ Carson, geboren 1809 in Madison County, Kentucky. [2] Also greife ich von der Romanliteratur mal wieder zur Fachliteratur, die im hier vorliegenden Fall einmal aufzeigt, dass moderne US-amerikanische Produktionen auch an authentischer Geschichte des eigenen Landes interessiert sind, was mir Dietmar Kügler auch aus seiner Sicht bestätigte. In der Geschichte des fiktiven Stellmachers Jacob Wheeler finden wir Teile der Geschichte des realen Kit Carson wieder, der als Sattler-Lehrling mit 17 Jahren aus der Lehre weglief und sich auf das große Abenteuer begab.

Das Leben des mit 59 verstorbenen Kit Carson erzählt Kuegler auf 173 Seiten in einem schmalen Heft. 

„Als 17jähriger zog er über den Santa Fe Trail. Als 19jähriger lebte er als Pelzjäger in der Wildnis der Rocky Mountains.  Mit Anfang 30 wies er den großen Planwagentrecks den Weg zum Pacific. Er konnte nicht lesen und nicht schreiben, aber er sprach acht Sprachen. Im Laufe seines Lebens war er mit zwei Indianerinnen und einer Mexikanerin verheiratet und lebte die multiethnische Kultur des amerikanischen Südwestens.“ [3]

Multiethnische Kultur des amerikanischen Südwestens? In diesem Satz steckt etwas, was der deutsche Leser eher nicht kennt. Er kennt die Indianerkriege, die Ausrottung der Bisonherden, die Vertreibung der indianischen Stämme in die Reservationen oder auch das sogenannte „Indianerterritorium“ welches ursprünglich sehr groß bemessen war. Aber multiethnisch?

Die sogenannten Pioniere oder Frontiers (Grenzer) lebten noch im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts eher im Einklang mit den Stämmen im mittleren Westen. Sie arrangierten sich mit ihnen und kämpften auch gegen diese, wenn sie angegriffen wurden. Das eigentliche amerikanische Leben fand im Osten und im Nordosten der USA statt, ein Leben zwischen von Sklaven bearbeiteten Plantagen für Baumwolle und Reis im „aristokratischen“ Südosten und zunehmender Industrialisierung im Nordosten. Man denkt gelegentlich an einen Daniel Boone (1734 – 1820), der allerdings bis Kentucky vordrang, Carson reiste von Kentucky aus in den Westen und ritt auch unter John C. Frémont zum Beispiel auf dem California Trail.[4]

Abb 1
Vermutlich wurden die Grenzer im Osten gar nicht verstanden aber als Helden hervorgehoben. Ein derartiges Beispiel gibt auch Carson ab, der diese Hervorhebung zeit seines Lebens nicht verstand.  Das hier abgebildete Buch zeigt dies durch den angreifende Krieger mit dem Messer tötenden Trapper. Die Legendenbildung begann schon vor seinem Tode, zum Beispiel in dem 1849 erschienenen Roman Kit Carson, Prince of the Gold Hunters. [5]

Die in den mittleren Westen vordringenden Männer waren gezwungen sich mit den Stämmen zu arrangieren. So kamen die Indianer mit bisher unbekannten Waffen und Gegenständen wie Kochtöpfen, Werkzeugen und sicher auch Alkohol in Berührung. Kit Carson war zwar der Auffassung, dass die „weiße“ Kultur der „indianischen“ überlegen wäre, fand aber auch, dass die indianischen Stämme als Menschen zu respektieren waren. So handelte er auch in seinen Funktionen als Indianeragent im Regierungsauftrag oder als Offizier der US-Armee, der es bis zum Brevet Brigadier General brachte. Als solcher wurde er auch gegen verschiedene Stämme eingesetzt, erklärte aber auch, dass das beispielhafte Massaker am Sand Creek (1864) gegen die Cheyenne unter Black Kettle ein Verbrechen sondergleichen war.

„Wenn ich an diesen Hundsfot Chivington und seine Meute bei Sand Creek denke! Wann hat man jemals davon gehört, dass Christenmenschen so etwas tun können. Die armen Indianer hatten unsere Flagge gehisst, die alten Stars und Stripes, die wir alle lieben und verehren. Und man hatte ihnen in Denver gesagt, dass sie sich sicher fühlen können, solange diese Flagge über ihnen weht… Dieser verdammte Schurke und seine Männer [haben] Frauen niedergeschossen und das Gehirn aus unschuldigen kleinen Kindern herausgeschlagen haben… Und sie nennen sich ‚zivilisierte‘ Menschen, Christen – und die Indianer sind ‚Wilde‘?“ [6]


Abb 2
Dass er als Offizier gegen die Indianer kämpfte sah er einerseits als Pflicht an, dass er aber gleichzeitig Befehle „alle“ zu töten nicht beachtete, ist die andere Seite. Auch als Indianeragent versuchter unermüdlich die Indianer, zum Beispiel des Ute-Stammes ordentlich zu versorgen. Mehrfach wurde er zu Verhandlungen mit Häuptlingen hinzugezogen, weil ihm die verschiedensten trauten. Auf einem Treffen fungierte er als Verhandlungsführer und Dolmetscher zugleich, was das ihm entgegengebrachte Vertrauen unterstrich. So wurde er von Indianern wie Armeeführung (Gen. Sherman) gleichermaßen geachtet. [7]

Kritisch wird sein Kampf gegen die Diné (Navajo) angesehen. Jedoch dürfte die Darstellung eines "brutalen Vernichtungskrieg[es], bei dem er systematisch die Felder und die Nahrungsgrundlagen der Diné zerstörte." im Kontext seiner Auffassungen und seiner Haltung mindestens übertrieben sein. [8]

 Dietmar Kügler erzählt darüber, dass die US-Amerikaner eigentümlich mit ihren historisch bedeutsamen Personen umgehen: Sie heben sie in den Himmel und lassen sie bei Schwächen gleich wieder fallen. So ging es auch Kit Carson gleich mehrfach. [9]

Als Kit Carson im Jahr 1959 starb, vier Wochen nach seiner Frau, hinterließ er sieben Kinder, für die zu sorgen seine letzten Gedanken bestimmten. [10]


* * *

Abb 3
Dietmar Kügler, geb. 1951 - 2022, war in den USA so ziemlich zu Hause. So hat er insbesondere vor Ort recherchiert und hauptsächlich amerikanische Literatur benutzt. Und so schließt er diese äußerst interessante und spannende Geschichte mit einem Interview mit einem Urenkel des Helden, John M. Carson, welcher seinem Urgroßvater sehr ähnlich sehen soll.

Kügler schrieb bereits über 60 Bücher und über 2000 Artikel. Das Buch über Kit Carson ist nicht das Erste über einen der sogenannten Mountain Men, bekannt wurde das Buch Begrabt mein Herz in der Prärie – Jim Bridger, Mountain Man.
Auf der Webseite des Verlages für Amerikanistik, der sich als Fachverlag für indianische und amerikanische Geschichte versteht, findet man Sachliteratur über die Indianerkriege, die Pionier- und Militärgeschichte und eine ganze Reihe Standartwerke. Interessierte Leser werden bestimmt schnell fündig.




DNB / Verlag für Amerikanistik / Wyk auf Foehr 2016 / ISBN: 978-3-89510-140-3 / 173 S.

© Bücherjunge (01.07.2023)

  • Quellen:
  • [1] Meist Dietmar Kuegler, auf der Verlagswebseite Kügler
  • [2] Siehe Kügler, Dietmar: Ich ziehe mit den Adlern, 2016, Seite 13.
  • [3] Zitiert aus Ebenda, Buckrückseite
  • [4] Zu Fremont siehe auch die erwähnte Serie Into the West
  • [5] vgl. Seite „Kit Carson“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. September 2016, 00:41 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kit_Carson&oldid=158196544 (Abgerufen: 25. September 2016, 07:48 UTC) 
  • [6] Kit Carson 1866 zu General Rusling, in Kügler, Seite 4 -Auf dieses „Gefecht“ geht auch die Serie Into the West ein.
  • [7] vgl. Kügler, 2016, Seite 149
  • [8] vgl. Wikipediartikel - Fußnote 5
  • [9] Vgl. Ebenda, Seite 9/10
  • [10] Vgl. Kügler, Seite 155 ff

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